Wir gewinnen!

14. Januar 2023
Kategorie: Allgemein, Pressemitteilung

Wir gewinnen!

Berlin, den 13. 01. 2023

Begonnen als Pro 15:30, hat ProFans sich über zwei Jahrzehnte für die Fankultur engagiert. Nun ist es Zeit ein finales Fazit zu ziehen.

Aus einer Jugendbewegung ist eine Kultur geworden. Aus der Bewegung heraus hatte ProFans die Ehre, Fandemonstrationen, -proteste, drei Kongresse und Verbandsarbeit zu organisieren. Gemacht haben wir viel und doch am Ende nie das erreicht, was wir uns als Ziel gesetzt haben. Wer jetzt aber denkt, dass wir mit geneigtem Haupt den Rückwärtsgang einlegen, ist auf dem Holzweg. Denn allen externen und internen Unkenrufen zum Trotz sind wir immer noch da: kreativ, lautstark und unangepasst.

Die selbsternannten moralischen Instanzen DFB und DFL hingegen sind ideell und inhaltlich am Ende. Der DFB steht vor allem für Personalrochaden, Selbstherrlichkeit und Misswirtschaft. Anstelle sich um den Volkssport Fußball zu kümmern, hat der Verband völlig den Kontakt zur Basis verloren. Seit Jahren ist die Staatsanwaltschaft regelmäßiger Gast in der Verbandszentrale. Etliche Kommunikationsformen mit Fans wurden nur um den Selbstzweck eines angeblichen Dialogs geführt, ehrliche Bemühungen wurden niemals im DFB gelebt. Die letzten Diskussionen um die Finanzierung der KOS sind ein Sinnbild dafür, wie sehr der Verband und seine Akteure gesellschaftlich abgewirtschaftet haben.

Daneben steht die DFL als Finanzkartell, um das Rattenrennen Profifußball zu finanzieren. Die letzten Wochen haben aus Sicht von ProFans nochmals deutlich die inhaltsleere dieses Konstruktes offenbart. Ob die Finanzierung der KOS oder die nackte Panik um die TV-Gelder – das Geschäftsmodell des „immer mehr“ droht zu scheitern. Eine Clique verteidigt auf intransparente Weise ihre finanziellen Pfründe. Über die Frage des Geldes hinaus, hat die DFL keine Inhalte im Sinne des Fußballs zu bieten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese Idee scheitert.

Beide Verbände sind nicht fähig, die gesellschaftlichen Fragen rund um den Fußball zu behandeln. Die vergangene Weltmeisterschaft und die Haltungslosigkeit der Verbände sind schlussendlich das überdeutliche Finale der moralischen Bankrotterklärung. Aus Sicht von ProFans ist das wenige gesellschaftliche Engagement und der vorgeschobener Fandialog der Verbände als reine PR-Maßnahmen zu begreifen. Konsequenterweise hat ProFans vor Jahren daher auch den institutionalisierten Dialog mit den Verbänden beendet.

Die Jahre haben uns Recht gegeben. DFB und DFL sind keine verlässlichen Ansprechpartner. Deren Fanarbeit und ihre Akteure sind die Titel nicht wert. Die Erfahrung hat gezeigt, dass wir keine ewig sinnlosen Diskussionsrunden brauchen. Funktionäre in Politik, Verband und Verein kommen und gehen, wir sind immer noch da. Wir sind Teil unserer Vereine, unserer Stadtkultur, unseres Fußballs. Die Leidenschaft konnte weder durch Sportgerichte noch durch die Sicherheitsbehörden verboten werden. Kein Funktionär und kein Innenminister kann uns stoppen.

Wir haben gelernt, Herausforderungen zu meistern. Es war nicht immer einfach, aber wir haben uns weiterentwickelt. Die Zeiten haben sich geändert und ProFans hat seinen Teil dazu beigetragen. Somit lehnen wir uns zum Ende von ProFans nicht zurück, sondern freuen uns auf die nächsten Jahre Fanarbeit auf anderen Ebenen. 

Statt dabei leise „Ciao“ zu sagen, brüllen wir den Einpeitschern des sogenannten modernen Fußballs lieber ein feuchtfröhliches „Fickt euch“ entgegen. Wir bleiben unbequem, unangepasst und in der Sache vereint. Dafür braucht es keine Institution. Sondern einfach nur Power. Und die haben wir…

ProFans ist ab heute Geschichte. Ihr werdet von uns hören.

ProFans, im Januar 2023

 

Fanarbeit ist nicht verhandelbar!

9. November 2022
Kategorie: Allgemein

Fanarbeit ist nicht verhandelbar!

Mit Entsetzen haben die unterzeichnenden deutschlandweiten Fanorganisationen den Artikel „Etaterhöhung für Fanprojekte blockiert: Unverständnis über Verbände“ im letztwöchigen Kicker lesen müssen.

Darin wird berichtet, dass die Aufstockung des Etats der Koordina6onsstelle der Fanprojekte (KOS), der seit 2012 (!!!) nicht erhöht wurde, an DFB und DFL scheitert. Und dies, obwohl seit damals 20 Fanprojekte hinzugekommen sind. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat bereits zugesagt, den KOS-Etat jährlich um 100.000 Euro zu erhöhen. Die Verbände lehnen es bisher mit „Verweis auf ihre finanziellen Probleme“ ab, ihren paritätischen Teil von jeweils 25% beizutragen. Sprich: DFB und DFL sind nicht bereit, jeweils 50.000 Euro zu geben.

Während DFB-Präsidenten so schnell wechseln, dass man kaum noch hinterherkommt, ist die KOS seit nunmehr fast 30 Jahren eine vertrauensvolle Ansprechpartnerin für Fans und Fanorganisationen jeglicher Couleur. Neben der Kernarbeit als Koordinationsstelle für alle deutschen Fanprojekte haben die Mitarbeiter*innen der KOS unendlich viel für die Selbstorganisationsfähigkeiten von Fans und Fanorganisationen geleistet. Sei es durch Vermittlung in Konflikten mit Vereinen und/oder Verbänden, sei es durch interne Beratungen und Hilfeleistungen. Der Rückgang von Diskriminierung in den Stadien in den letzten 20 Jahren wäre ohne die Unterstützung der KOS für Fangruppen, die gegen Diskriminierung kämpfen, ebenfalls nicht erfolgt. Nicht zuletzt schaffen es Mitarbeiter*innen der KOS immer wieder, glaubhaft die verschiedenen Facetten der Fankultur öffentlich zu vermitteln.

Die KOS und alle Fanprojekte sind ein elementarer Bestandteil des Fußballs in Deutschland und müssen nicht nur erhalten, sondern langfristig besser ausgestattet werden.

Neben der Geringschätzung der Arbeit der KOS und damit indirekt auch der Fanprojekte, die in dieser DFB/DFL-Entscheidung mitschwingt, ist die Begründung skandalös und mehr als lächerlich. Im September 2022 gab der DFB bekannt, im Falle eines Erfolgs bei der schändlichen WM in Katar würden die Nationalspieler 18,2 Mio. Euro Prämien bekommen. 50.000 Euro wären im Rahmen dieser Prämien gerade einmal die Summe, die jeder Spieler für den Gruppensieg bekäme, selbst wenn er keine Sekunde gespielt hätte. „Der Verband verfügt über liquide Mittel im dreistelligen Millionenbereich“, sagte DFB-Schatzmeister Grunwald letzte Woche bei einer Pressekonferenz im Rahmen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung und des damit einhergehenden drohenden Entzuges der Gemeinnützigkeit für die Jahre 2014 und 2015.

Die DFL arbeitet laut Medienberichten daran, Teile ihrer Übertragungsrechte an Finanzinvestoren zu verkaufen. „Der DFL und den 36 Profivereinen könnten damit mehr als drei Milliarden Euro zufließen“, berichtete etwa N-TV. Der Gesamtumsatz der beiden Profiligen 2019/20 betrug laut DFL- Wirtschafsreport 4,5 Milliarden Euro.

Die paritätische Finanzierung im Rahmen des Nationalen Konzepts Sport und Sicherheit (NKSS) hat sich seit 30 Jahren bewährt. Es kann nicht sein, dass sich DFB und DFL ausgerechnet in Zeiten der Krise aus der Verantwortung stehlen wollen.

Wir fordern den DFB und die DFL auf, ihren Selbstverpflichtungen nachzukommen und für eine ausreichende, nachhaltige und langfristige Finanzierung der KOS und aller Fanprojekte zu sorgen.

Fanarbeit ist nicht verhandelbar.

Eine gemeinsame Stellungnahme von:

BAFF – Bündnis aktiver Fußballfans e.V.
BBAG – Bundesbehindertenfanarbeitsgemeinschaft e.V. F_in – Netzwerk Frauen im Fußball
QFF – Queer Football Fanclubs
ProFans

DFB-Menschenrechtskongress – ohne ProFans

Berlin, den 17. September 2022

Unbeirrt hält der DFB an seinem Kurs fest, durch seine Teilnahme die Weltmeisterschaft zu unterstützen, die unter Einsatz extrem diskriminierter, entwürdigter und in vielen Fällen gar zu Tode gekommener Wanderarbeiter in Katar ermöglicht wurde. Die offensichtliche Mehrheit der Fußballinteressierten hierzulande ist gegen eine deutsche Beteiligung. Der DFB hat jedoch sogar den Vorschlag einer Befragung der ihm zugehörigen Menschen rundheraus abgelehnt. Nicht nur die dem Bündnis ProFans angeschlossenen Gruppen fragen sich, wie man sich an Fußballspielen erfreuen soll, für die Menschen geopfert wurden. „Vor allem Bauarbeiter wurden so schlechten Bedingungen ausgesetzt, dass die tragischen Folgen zwangsläufig eintraten. Bewusst wurde es in Kauf genommen, dass Menschen zu Tode kamen“, kommentiert Pressesprecher Sig Zelt und führt außerdem an: „Dass die Diskriminierung auch dienstleistendes Personal während der WM betrifft und dass nicht-heterosexuelle Fußballfans sich in Katar unsicher fühlen müssen, kommt hinzu. Israelischen Fußballfans bleibt es gar von vornherein verwehrt, dabei zu sein.“

Ein Rückzieher des DFB zur rechten Zeit hätte Potential für eine weltweite Welle der Solidarität gehabt. Stattdessen gibt es nun am kommenden Montag in Frankfurt einen „Menschenrechtskongress“. Glaubt man beim Verband tatsächlich daran, dass sich durch edle Botschaften die Menschenrechtssituation in Katar verbessert? Hat das jemals in der Vergangenheit funktioniert? Ja, auch ein Boykott käme für die Opfer zu spät. Aber er wäre immerhin ein Signal an künftige Bewerberländer: Wollt ihr ein schillerndes Fest des Sports mit weltweiter Aufmerksamkeit, dann reichen ein paar kleine Korrekturen auf dem Papier nicht mehr aus. 

„Neben belastbaren Handlungen wäre eine klare Haltung gegenüber den offiziellen Repräsentanten und Machthabern Katars angebracht, anstatt dass wir uns gegenseitig beweihräuchern“, findet ProFans-Sprecher Jörn Brauer deutliche Worte in Richtung DFB. Das Fanbündnis sieht in dem Kongress einen weiteren Versuch des DFB, sich reinzuwaschen mit praktisch folgenlosen, plakativen Aktionen, wie etwa, als man „Human Rights“ auf Trikots gemalt hat. 

Der Kongress hat offensichtlich eher die Funktion, das Gewissen der DFB-Führung zu beruhigen und den Verband in der Öffentlichkeit als engagiert in Sachen der Menschenrechte darzustellen. Doch die Zahl derer wächst, die längst bemerkt haben, wie auffällig bei dem Verband salbungsvolle Worte und tatsächliches Handeln allzu oft divergieren. Sprecher Nicolai Mäurer fasst zusammen: „An einem solchen Whitewashing will sich ProFans nicht beteiligen.“ 

 

ProFans, im September 2022

 

Die Bundesliga geht ins Jubiläumsjahr – ProFans zieht Bilanz

Berlin, den 03.08.2022

Am kommenden Wochenende geht die Fußball-Bundesliga in ihre 60. Saison. ProFans zieht Bilanz, was sich seit den 1960-er Jahren für die Fans verbessert und verschlechtert hat.

Besser: Mehr Zuschauer und Betreuungsangebote

Das Stadionerlebnis ist für Fans ein hochemotionales Gemeinschaftserlebnis. Viele modernisierte Stadien sind besser gefüllt als früher und erlauben tendenziell eine intensivere Stimmung auf den Zuschauerrängen. Fanprojekte und Fanbetreuungen der Vereine stehen dabei ebenfalls auf der Plus-Seite.

Neutral: Stadien 

Neue und modernisierte Stadien werden vielfach von Zuschauern gut angenommen und bieten zum Teil mehr Komfort. Andererseits haben teilweise gesichtslose Neubauten auf der grünen Wiese traditionsreiche Spielstätten ersetzt und damit die Identifikation vieler Fans verletzt. 

Schlechter: Offener Wettbewerb

1998 wurde der 1. FC Kaiserslautern als Aufsteiger Meister. Ist so etwas heute noch denkbar? Ganz im Gegenteil: seit zehn Jahren gibt es keinen anderen Meister als Bayern München. Die immer ungleicher werdende Einnahmenverteilung in der Liga wie auch in den internationalen Wettbewerben führt zu einer stetig abnehmenden Durchlässigkeit und Spannung und schadet damit der Attraktivität des Fußballs enorm.

Hinzu kommen die Finanzeinträge fußballfremder Investoren, mit denen zielgerichtet sportliche Erfolge erkauft werden. Es ist das Gegenteil fairen sportlichen Wettbewerbs, wenn einzelne Unternehmen oder Milliardäre maßgeblich darüber entscheiden können, welche Vereine besonders erfolgreich sind. In neun Jahren von der Verbandsliga bzw. in sieben Jahren von der Oberliga bis zur höchsten Spielklasse aufzusteigen, ist nichts anderes als mit unverschämt viel Geld erkaufter Erfolg. Dass diejenigen dafür oft noch Dankbarkeit erwarten, zeigt ihre Hybris.

Schlechter: Anstoßzeiten

Angestoßen wird samstags, 15:30 Uhr: Das war früher. Eine Uhrzeit, die es den meisten Fans erlaubte, das Spiel zu sehen, auch auswärts. Leicht zu merken, leicht einzurichten, und nach dem Spiel war der Tabellenstand klar. Heute: Anstoßzeiten, für die man oft Urlaub nehmen muss, teilweise sogar für Heimspiele. Dauerberieselung: Fußball gibt es täglich im TV, es ist kein Höhepunkt der Woche mehr. Sonntagsspiele kollidieren mit dem Amateurfußball.

Schlechter: Stehplätze

Das Angebot an Stehplätzen ist – prozentual und fast überall auch absolut – dramatisch zurückgegangen. Aktive Fans wollen stehen, und viele von ihnen sehen sich gezwungen, Karten für Sitzplätze zu kaufen, wo sie vielfach unter Gleichgesinnten das Spiel vor dem Sitzplatz stehend verfolgen oder gar, weil es die Vorderleute auch so machen und um überhaupt etwas zu sehen, auf der Sitzschale stehend.

Schlechter: Ausgestaltung der Regeln

Einfache und über Jahrzehnte beständige Regeln – früher ein Attraktivitätsmerkmal des Fußballs, aber heute längst nicht mehr. Schon die Dreipunktregel war eine zweifelhafte Neuerung, die den erhofften Effekt auf mehr Offensivfußball nie erreichte. Die Regel, wann und wie ein Handspiel zu ahnden ist, wurde zuletzt fast im Jahrestakt verändert. Mit Relegationen und Play-Offs wird versucht künstlich die Spannung zu erhöhen, doch werden damit vorgelagerte Begegnungen entwertet. Verkomplizierungen wie der Videobeweis schaffen nur in wenigen Situationen mehr Gerechtigkeit, zerstören aber die spontanen Emotionen auf den Rängen. Ein Tor? – Wer weiß? Elfmeterentscheidungen fallen teils, nachdem noch minutenlang „auf Verdacht“ weitergespielt wurde, vielleicht sogar ein Tor auf der Gegenseite erzielt wurde, das dann zurückgenommen wird.

Schlechter: Mitbestimmung und Mitgestaltung

Die Auslagerung von Lizenzmannschaften in Form von Kapitalgesellschaften, Ausnahmen von der „50+1“-Regel und, wie in Leipzig, von der Offenheit für eine breite stimmberechtigte Mitgliederschaft – entwerten die demokratische Teilhabe in den jeweiligen Vereinen. Für Fußballfans, die sich nicht als Konsumenten, sondern als Mitgestalter sehen, ist dies ein fortwährender Schlag ins Gesicht.

Schlechter: Internationale Wettbewerbe

Es gibt zwar mehr internationale Startplätze für die leistungsstärksten nationalen Ligen, dafür haben Vereine in anderen Ländern schlechtere Chancen. Die extrem ungleiche Einnahmenverteilung führt zur Zementierung bestehender Leistungsverhältnisse. Dadurch wiederum treffen in der Spitze immer wieder dieselben Vereine aufeinander. Der Spielkalender lässt kaum Lücken. Europacup-Spieltage waren früher ausgewiesene Höhepunkte, die inzwischen längst den TV-Einnahmen geopfert wurden.

Schlechter: Überwachung der Fans

Blocktrennung und Sicherheitskontrollen am Einlass, die es in den 1960-er Jahren noch nicht gab, mögen ihren Sinn haben. Aber sie werden vielfach missbraucht, um das Mitbringen von Fanutensilien, Transparenten, Proviant und anderen ganz ungefährlichen Dingen einzuschränken und auch, um die Anwesenheit von Sympathisanten der Gastmannschaft in neutralen Zuschauerblöcken zu verhindern. Die quasi lückenlose Videoüberwachung der Zuschauer hat ein absurdes Maß erreicht. Digitales Ticketing kann Wucherpreise für Eintrittskarten auf dem Schwarzmarkt erschweren, aber eben verbunden mit Verlust an Freiheit. Alarmierend ist, dass teils schon begonnen wird, das Mitbringen eines Smartphones mit vorgegebenem Betriebssystem und installierter App des Veranstalters zur Einlassbedingung zu machen, was nicht nur arme, alte und IT-sicherheitsbewusste Menschen ausgrenzt, sondern auch alle Möglichkeiten eröffnet, die Geräte der Zuschauer als Spionageinstrumente zu missbrauchen.

Schlechter: Benachteiligung der Gästefans

Anders als früher, werden Gästefans von vielen Vereinen diskriminierend behandelt. Nicht nur, dass den Gästefans zumeist die unattraktivsten Plätze im Stadion vorbehalten sind; sie müssen zudem besonders lange und unbequeme Wege zu den Stadioneingängen auf sich nehmen, haben vielfach deutlich längere Wartezeiten beim Einlass, müssen sich strengeren Kontrollen und Mitnahmebestimmungen unterziehen als Heimfans und werden sogar bei der Stadiongastronomie benachteiligt. Ganz davon abgesehen, werden Gästefans durch die Polizei regelmäßig in ungleich größerem Maße freiheitseinschränkenden Maßnahmen unterworfen. Wirklich willkommen fühlt man sich als Gastfan nur selten.

Schlechter: Identifikation mit der Mannschaft

Bei allem Fanatismus: Die Identifikation mit Spielern und Mannschaft fällt bei Vereinen an der Spitze zunehmend schwerer. Spitzenfußballer und Fans haben heute nur noch wenig Gemeinsames. Im Gegenteil, sie sind durch Welten getrennt, bedingt durch exorbitante Einkommen der Spieler, von denen die allermeisten einen Verein nur mehr als eine Station auf ihrem Karriereweg betrachten. „Einer wie er ist heute im Fußball kaum noch vorstellbar“, schrieb der „Spiegel“ kürzlich zum Tod von Uwe Seeler. Genau das kennzeichnet den Werteverfall.

Schlechter: Fans zahlen mehr

Fans zahlen heute für denselben Sport, für die gleiche Spannung und das gleiche Gemeinschaftserlebnis erheblich mehr als früher. Deutlicher als in den – vielfach in Deutschland noch moderat – gestiegenen Eintrittspreisen zeigt sich das in den teils unverschämten Preisen für Trikots und andere Identifikationsprodukte, an dem Übermaß an Reklame, die Fans über sich ergehen lassen müssen und die ihr Kaufverhalten beeinflusst, sowie auch an den Preisen für Pay-TV.

Schlechter: Soziale Integration

Die gesellschaftliche Bedeutung schöpft der Fußball vor allem aus seinem integrativen Potential. Der Ligaverband unterstreicht hingegen immer wieder den Eindruck, dass für ihn die Geschäftsziele an erster Stelle stehen und nicht die sozialen Werte. Fans, die vom Fußball mehr erwarten als pure Unterhaltung, werden als ewiggestrige Nostalgiker verspottet. Aber auch ganz konkret in den Stadien finden sich die sozialen Schichten der Gesellschaft dank ausgedehnter und abgeschotteter VIP-Bereiche zunehmend voneinander getrennt.

Schlechter: Rolle der Verbände

Die Verbände, sei es der DFB, die UEFA oder die FIFA, werden heute vor allem als korrupt, gesetzlos und moralisch verkommen wahrgenommen, anstatt dass sie eine durch ihr sozialdienliches Handeln erworbene natürliche Autorität genössen. Fans nehmen den DFB, dem die meisten mittelbar angehören, als das Gegenteil ihrer Interessenvertretung wahr. Bei einem Verband, der seine Angehörigen, auf reinen Verdacht hin und abgekoppelt vom Verschuldensprinzip, mit Strafen sanktioniert und der, im krassen Gegensatz zu den Grundwerten aufgeklärter europäischer Kultur, mit Kollektivhaftung und Kollektivstrafen arbeitet, ist das nicht verwunderlich. Die Fanbündnisse BAFF und ProFans nehmen seit Jahren nicht mehr die Einladungen zum strukturierten Fandialog wahr, weil sie den Glauben an einen Nutzen ihrer Teilnahme verloren haben.

Schlechter: Rolle der Nationalmannschaft

Beredtes Zeugnis der Diskrepanz zwischen proklamierter wertebasierter Haltung und tatsächlichem Handeln ist auch die kommende Weltmeisterschaft in Katar. Wohl wissend, dass die Mehrzahl der Fußballinteressierten in Deutschland, aufgrund der Umstände der Vergabe, diskriminierender Bedingungen, aber vor allem angesichts der Menschenopfer bei der Errichtung der Infrastruktur, der Teilnahme einer deutschen Mannschaft ablehnend gegenübersteht, hat der DFB niemals auch nur einen leisen Zweifel erkennen lassen, ungeachtet aller Proteste an dem Turnier teilzunehmen.

Es ergibt sich ein überwältigendes Verhältnis von 1 : 13 gegen die Faninteressen. Der Fußball kommt heute als modernes Hochglanzprodukt daher – und hat doch bei seinen treuesten Anhängern so viel an Attraktivität verloren! Zwar freuen sich die Fans auf den Saisonstart, aber ihr Frust wächst von Jahr zu Jahr, so dass man sich fragt, für wen der Zirkus eigentlich veranstaltet wird.

ProFans, im August 2022

 

Die Frage der Teilnahme der deutschen Fußball-Nationalmannschaft an der WM in Katar spaltet die Fußballgemeinschaft. Das Bündnis ProFans hat den DFB in einem Offenen Brief aufgefordert, eine Mitgliederbefragung durchzuführen und das Ergebnis zu veröffentlichen.

Hier der Wortlaut des Briefes vom 23. Mai 2022 , der dem DFB am Tag darauf zuge­gangen ist:

Sehr geehrter Herr Neuendorf, sehr geehrte Damen und Herren, Freunde des Fußballsports,

das Saisonende ist erreicht; so richten wir unsere Blicke darauf, was uns in der nächsten Saison erwartet.

Am heutigen Tag, da wir diesen Brief an Sie richten, treffen beim Weltwirtschafts­forum in Davos die Herren Scheich Tamim Bin Hamad und Gianni Infantino zusammen. Der Titel der Session „Sport als verbindende Kraft“ wäre eine wunder­­bare Agenda, würde er für uns in dem konkreten Zusammen­hang nicht wie blanker Hohn klingen.

Wie Sie wissen, haben wir den DFB am 8. März 2021 öffentlich aufgefordert, auf die Teilnahme an der WM 2022 in Katar zu verzichten. Auf diese Initiative hin erhielten wir ein überwältigendes zustimmen­des Echo: um Vieles stärker als auf alle anderen unsere Aktionen in den letzten Jahren.  In zahlreichen Stadien wurden Transparente gezeigt, die in die gleiche Richtung wiesen.

Wir haben aber auch gelernt, dass für einige Sportfreunde die Argumente pro Teil­nahme trotz aller Vorbehalte schwerer wiegen. Zu jenen gehörte die alte DFB-Führung. Gleichwohl hat es uns ver­blüfft, wie unbeeindruckt von allen Protesten der DFB die Planungen für die Teilnahme der National­mann­schaft an dieser WM weiter voran­getrieben hat.

Für uns zählt nach wie vor, dass die WM eine Veranstaltung sein wird, die direkt mit der gnadenlosen Ausbeutung von Arbeitsmigranten und mit dem Leben vieler junger und bei der Einreise nach Katar noch kerngesunder Menschen bezahlt wurde. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass es in höchstem Maße unan­ständig wäre, darauf ein rauschendes Fußballfest zu feiern. Für uns, die uns angeschlosse­nen Gruppen und die große Mehrzahl ihrer Mitglieder wird die WM kein Freude spen­dender Anlass sein und kein Gegenstand besonderen Interes­ses. Nein, unsere WM ist das nicht!

Dabei ist uns klar, dass wir darüber zunächst nur für uns selbst beschließen können, nicht für den DFB. Wir denken aber auch, dass die Entscheidung bei einer Angelegen­heit von derart hoher gesellschaft­licher und moralischer Brisanz nicht über die Köpfe der sieben Millionen Menschen hinweg getroffen werden sollte, die den Vereinen angehören, welche in den dem DFB zugehörigen Landes- und Regio­nalverbänden und in der Deutschen Fußball-Liga organisiert sind.

Wenn wir richtig verstanden haben, ist es Ihr Anliegen, den verheerenden Image­schaden, den der DFB in den letzten Jahren erfahren hat, zu heilen und dazu auch einen neuen Führungsstil zu etab­lie­ren. Es wäre ein glaubwürdiges Zeichen, diese Absicht mit einer ebenso inhaltsschweren wie symbol­trächtigen Handlung zu unter­setzen. Die Teilnahme des DFB an der Weltmeisterschaft spaltet die Fußballgemein­schaft Deutschlands. Eine Mitgliederbefragung würde immerhin zeigen, was die Mehr­heitsmeinung ist. Damit könnten wohl auch diejenigen leben, die auf der anderen Seite stehen. Jetzt, ein halbes Jahr vorher, ist für ein solches Voting noch Zeit.

Wir fordern hiermit den DFB auf, zur Frage der Teilnahme an der WM in Katar eine Befragung unter allen sieben Millionen mittelbar dem DFB zugehörigen Menschen durchzuführen und das Ergebnis öffentlich zu machen.

Mit sportlichen Grüßen

Bündnis ProFans

 

Der Brief trägt das Datum vom 23. Mai 2022 und wurde dem DFB am darauffolgenden Tag zugestellt.