Hallo Fußballfreunde!

Es war ein sonniger Mittwochabend im April 2011. In der schottischen Kleinstadt Perth wurde gerade die 1.Liga Begegnung zwischen dem FC St. Johnstone und Titelaspirant Celtic FC angestoßen. Die Fernsehreporter beginnen gerade das Livespiel zu kommentieren, als plötzlich ca. 20 Fußbälle auf das Spielfeld fliegen. Die Spieler wirken verwirrt und kicken die Bälle vom Platz, während die Reporter spekulieren was los ist. Entweder es handelt sich um einen schlechten Scherz oder aber jemand protestiert auf sehr kreative Weise. Letzteres war der Fall. Die Aktion wurde nicht nur live im Fernsehen gezeigt, sie schaffte es auch landesweit in sämtliche Spielberichtserstattungen im Radio oder der Presse. Hintergrund war ein Protest gegen die Anstoßzeit von 18 Uhr an einem Mittwochabend. Offensichtlich kam es zu dieser für viele Fans sehr unbequemen Anstoßzeit, da das Fernsehen zu späterer Stunde keine Konkurrenz zur Championsleague Übertragung wünschte. Zu diesem Zweck wurde erst kurzfristig die Anstoßzeit geändert. Natürlich gibt es auch in Schottland hin und wieder Spiele unter der Woche. Allerdings ist bei solchen eine Anstoßzeit von 19.30 – 20.00 normal. Eine Zeit, zu der es im Regelfall auch die Auswärtsfans in Schottland schaffen können noch nach der Arbeit zum Spiel zu fahren. „Leider sind unsere Jungs wohl nicht die besten Fußballer“ sagt ein Mitglied der Green Brigade, den Ultras von Celtic, die sich die Aktion ausgedacht haben. Eigentlich sollten 58 Bälle zeitgleich auf dem Rasen landen. Alle Bälle waren beschrieben mit Aufschriften wie „Football for Fans – not for TV“, „Balls on 6pm“ oder einer großen durchgestrichenen 6. Zusätzlich zu den Fußbällen erschienen im Gästesektor des Anhangs aus Glasgow Protestspruchbänder mit gleichem Inhalt. Ob 58 oder nur 20 Bälle, die Aktion sorgte für Aufsehen! Doch so Aufsehenerregend der Protest der Green Brigade von Celtic auch war, er bleibt doch deutlich eine Ausnahme in Großbritannien. Eine Vernetzung aktiver Fußballfans und einen Kampf für Fankultur wie wir sie bei uns kennen, sind in Großbritannien nicht bekannt.

Das Beispiel aus Schottland ist für Fußballfans in Deutschland wohl nichts Neues. Fast scheint es, dass die Verhältnisse bei diesem Thema hierzulande sogar noch schwieriger sind, wenn wir nur an das Montagsspiel der 2. Liga denken. Wir befinden uns in der Schlussphase der Saison 2010/2011, einer Spielzeit bei der in Deutschland sich fanpolitisch einiges getan hat. Am meisten beeindruckte sicherlich die Fandemo im Oktober in Berlin. Aber auch die Arbeit in Kampagnen wie „Pyrotechnik legalisieren-Emotionen respektieren“ oder „Kein Zwanni für’n Steher“, einer Aktion die sich für bezahlbare Eintrittspreise einsetzt, sorgten bundesweit für Aufsehen. Auch wenn nun das Ende der Saison bevorsteht und viele Fanszenen hauptsächlich mit der sportlichen Situation ihrer Vereine beschäftigt sind, ist es wichtig, dass wir das Thema Fanpolitik nicht ganz aus den Augen verlieren.

Wie das Beispiel des Protests in Schottland zeigt, gibt es eine bedrohliche Entwicklung für die Fankultur in ganz Europa. Den meisten werden vor allem die Entwicklungen in Italien vor Augen stehen, die mit der eingeführten Tessera del Tifosi einen negativen Höhepunkt erreicht zu haben scheint. In Frankreich werden zunehmend Ultra- und Fangruppen vom Staat offiziell aufgelöst. Bei Auseinandersetzungen mit der Polizei gab es in den letzten Jahren sogar Tote. Die Beispiele für die Bedrohung von Fankultur sind bekannt und ihre Liste ist schier unendlich lang.

Wir von ProFans sind durch diese vielen Beispiele aus ganz Europa dringlich der Meinung, dass es nötig ist sich mit anderen aktiven Fans unseres Kontinents zu vernetzen, um gemeinsam weiter für den Erhalt von Fankultur zur kämpfen. Wir unterstützen daher die Aktionsspieltage des Netzwerks „Football Supporters in Europe“ (FSE) und rufen die deutschen Fanszenen zu einer Teilnahme an diesen auf. Bereits im letzten Jahr gab es Aktionsspieltage zum Thema „Our Game – Our Time“. In diesem Jahr finden sie unter dem Motto „Rettet die Fankultur/Save Fan Culture“ vom 29.4 bis 16.5. 2011 statt.

In der Erklärung vom Netzwerk FSE werden einige grundsätzliche Forderungen aufgelistet, die Europaweit Geltung finden sollten:
Wir als aktive Stadiongänger und leidenschaftliche Fans aus ganz Europa fordern Vereine, Ligen und Fußballverbände auf:
• die Einführung von Fanausweisen zu stoppen
• Fordern die verantwortlichen Behörden auf, Gesetze und Gesetzesvorhaben zur Kennzeichnungspflicht für Polizei über individuelle Nummern aktiv zu unterstützen
• Fordern verantwortliche Stellen auf, die Einführung von ausgebildeten Ordnern statt Polizei im Stadion voranzutreiben
• Unterstützen die Ausarbeitung von transparenten, liberalen und verhältnismäßigen Regularien zur Verwendung von Fandevotionalien, wie Fahnen, Banner und anderes Tifo-Material innerhalb der Stadien, in engem Austausch mit den Fans
• Wollen Selbstregulierung unter Fans fördern und fordern UEFA, nationale Verbände, Vereine und Behörden auf, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um entsprechende Entwicklungen zu unterstützen.

ProFans unterstützt diese Forderungen und hofft auf eine rege und kreative Beteiligung, die die Vernetzung mit anderen Fanszenen in Europa voranbringt und bei den Verantwortlichen zu vernehmen ist. Alle nötigen Informationen findet ihr auf der Internetseite der FSE: http://fanseurope.org/de/aktionen.html

Auch wenn ihr momentan den Kopf eventuell voll mit anderen Dingen habt, wäre eine Beteiligung zum Beispiel in Form von Spruchbändern sehr hilfreich. Viele Fußballfans in ganz Europa sind angewiesen auf Unterstützung von Gleichgesinnten, sei es aus dem eigenen, oder aus dem Ausland.

Zum Erhalt der Fankultur – nicht nur in Deutschland

ProFans im April 2011