Stadionverbote sollen dazu beitragen, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwenden, insbesondere Gewalt zu dämpfen und Straftaten zu verhindern. Sportinteressierte Zuschauer sollen auch in Zukunft das Gefühl haben, Sportveranstaltungen sicher und ohne Beeinträchtigung in friedlich-sportlicher Atmosphäre verfolgen zu können. (Auszug aus dem Nationalen Konzept für Sport und Sicherheit)

Entstehung des Stadionverbots

Anfang der 90er Jahre wurde das Nationale Konzept für Sport und Sicherheit (NKSS) verfasst. Die damalige Arbeitsgruppe bestand aus: Deutscher Fußballbund, Deutscher Sportbund, Deutscher Städtetag, Innenministerkonferenz, Jugendministerkonferenz, Sportministerkonferenz, Bundesministerium des Innern und Bundesministerium für Frauen und Jugend. Das Konzept sollte, unter anderem für Fußballspiele, einen Rahmen vorgeben, der einen „friedlicheren“ Ablauf der Veranstaltungen gewährleistet. Im NKSS wurden verschiedene Maßnahmen vorgeschlagen, welche die Gewalt in und um Stadien eindämmen sollen. So wurde auch die Möglichkeit geschaffen, bundesweite Stadionverbote verhängen zu können. Schon vorher gab es für die Vereine natürlich die Handhabe, ein so genanntes „örtliches Stadionverbot“ aufzuerlegen. Grundsätzlich wird dieses örtliche Stadionverbot nach Verstößen gegen die jeweilige Stadionordnung durch den entsprechenden Verein ausgesprochen. Da sich die Vereine in diesem Fall auf Ihr Hausrecht beziehen, kann das örtliche Stadionverbot theoretisch von einem Spiel bis zu lebenslang betragen. Die Praxis zeigt allerdings, dass sich die Vereine größtenteils an die Richtlinien des DFB halten und die Dauer des örtlichen Stadionverbots über eine Spanne von drei bis zwölf Monaten festlegen.

Alle beteiligten Vereine und der DFB räumen sich das Recht ein, Stadionverbote im Namen aller auszusprechen und verpflichten sich grundsätzlich, bei Antreffen einer mit Stadionverbot belegten Person im Stadion Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs zu erstatten und sie des Stadions zu verweisen.

(Auszug aus dem NKSS)

Durch die Anerkennung der Lizensierungsordnung (Bedingung, um am Spielbetrieb der Ligen 1-3 teilnehmen zu können) wird die Ausübung des Hausrechts vom jeweiligen Verein auf alle anderen Vereine plus den DFB sowie den Ligaverband (vertreten hierbei immer durch die Geschäftsführung der DFL) ausgeweitet. Das heißt: Jeder Verein dieser Ligen, der DFB und die DFL dürfen im Namen aller anderen Vereine Stadionverbote aussprechen; die anderen Vereine müssen diese dann sowohl anerkennen als auch durchsetzen. Sprich: Das so genannte bundesweite Stadionverbot ist demnach sowohl bei Spielen der Ligen 1-3 als auch bei DFB-Pokal- und Länderspielen wirksam. Die Stadionverbote müssen dem DFB (Zentralverwaltung) und dem Ligaverband mitgeteilt werden. Die Liste aller bundesweiten Stadionverbotsinhaber wird den Vereinen regelmäßig zugeschickt.

Das Stadionverbot im Ligaalltag

Nach der Fertigstellung des NKSS ist auch der DFB den dortigen Empfehlungen gefolgt und hat einheitliche Richtlinien bezüglich der Vergabe von Stadionverboten formuliert. Da sich der Umgang mit dem bundesweiten Stadionverbot, im Gegensatz zum örtlichen, seit mehreren Jahren „verschlimmert“ hat, wollen wir im Folgenden nur darauf eingehen.

Offiziell soll das bundesweite Stadionverbot ausgesprochen werden, wenn:

  • ein Ermittlungs- oder sonstiges Verfahren eingeleitet wurde,
  • eine Ingewahrsamnahme vollzogen oder ein Platzverweis ausgesprochen wurde und zusätzlich der Verdacht besteht, dass die Person eine Straftat begehen wollte,
  • bei Sicherstellung oder Beschlagnahmung von Waffen und anderen gefährlichen Gegenständen,
  • bei Handlungen / Verhaltensweisen, die die Menschenwürde verletzen,
  • ein schwerwiegender Verstoß gegen die Stadionordnung vorliegt.

Das alles klingt vielleicht bis auf das Wort „Verdacht“ noch ganz plausibel, wird allerdings problematisch, wenn die betreffende Person sich de facto nichts hat zu Schulden kommen lassen. Im Nachhinein besteht zwar das Recht auf Anhörung, die Unschuld muss dann allerdings in Eigenregie bewiesen werden. Recht schwer, wenn es seitens der Polizei lediglich heißt: Gegen die betreffende Person wird ermittelt. Auf der einen Seite stehen die Angaben der Polizei, auf der Anderen darf das Fanprojekt für die Belange des Betroffenen eintreten und somit steht Aussage gegen Aussage. Keine der Seiten darf über die Verhängung eines Stadionverbots entscheiden. Aber die Frage ist: Wer kann im Endeffekt wohl mehr Druck auf den entsprechenden Verein oder den DFB ausüben, die Polizei oder das Fanprojekt?

Auch der Punkt „schwerwiegender Verstoß gegen die Stadionordnung“ bereitet Probleme. Sowohl die jeweilige Stadionordnung als auch die Einschätzung des entsprechenden Vereins (oder der Polizei) sind bei der Entscheidung relevant. Es gibt einfach keine allgemeingültige Definition von „schwerwiegender Verstoß gegen die Stadionordnung“ und damit bleibt alles Auslegungssache. Somit müssen wir wohl alle hoffen, dass der Sicherheitschef des jeweiligen Vereins bei der nächsten haarigen Situation nicht zu wetterfühlig ist…

Vielleicht hier noch kurz auf ingewahrsamnahme + platzverweis

Strafhysterie versus Problemlösung

Obwohl in den Richtlinien des DFB (sogar gleich in §1) steht, dass es sich beim Stadionverbot nicht um eine Strafe, sondern um eine Präventivmaßnahme handelt, verfahren Vereine und DFB damit meist ganz anders. Nach den Richtlinien gestattet der DFB genügend alternative Maßnahmen; von diesen wird jedoch so gut wie kein Gebrauch gemacht. Zurzeit verhängen die Vereine und der DFB größtenteils bundesweite Stadionverbote in der Dauer von drei bis fünf Jahren und sind meist auch im Nachhinein nur selten dazu zu bewegen, ihre Entscheidung zu überdenken. Dabei wären soziale Arbeitsstunden oder pädagogische Bewährungsauflagen sehr viel effektiver. Der Betroffene könnte somit weiterhin in der Fanszene integriert bleiben und auch von dieser in seiner „Resozialisierung“ unterstützt werden. Warum also besteht der DFB nicht auf wirklich pädagogischer Prävention? Vielleicht weil darauf kein Wert gelegt wird – die momentane Handhabe geht natürlich viel schneller, ist allerdings auch kurzsichtig gedacht! Mittlerweile gibt es mehr als nur einen Verein, der die Vordrucke zum Stadionverbot bereits in der Schreibtischschublade liegen hat – nur Name, Datum und „Vergehen“ müssen noch eingetragen werden und schon kann lustig mit Stadionverboten um sich geworfen werden! Dass sich diese „Präventivmaßnahme“ für jeden Betroffenen natürlich ganz eindeutig nach „Strafe“ anfühlt, ist klar. Bis zu fünf Jahre vor den Türen des geliebten Stadions sitzen zu müssen, hat mit Vorsorge nicht wirklich was zu tun – ganz im Gegenteil! Frust und Aggression bauen sich erst richtig auf, wenn man Personen ausschließt und ihnen jeglichen sozialen Bezug nimmt!

Hier muss nun irgendwie noch rein, dass die richtlinien seit kurzem eine andere laufzeit haben. Und offiziell auch bewährung bzw. alternativmaßnahmen gewünscht werden. aber das man bis jetzt noch nicht abschätzen kann, wie sich das wirklich entwickelt.

Wir fordern:

Wir sind grundsätzlich für die Abschaffung der bundesweiten Stadionverbote, da die Anwendung des örtlichen Stadionverbots und gegebenenfalls zivilrechtliche Schritte (bei der Begehung von Straftaten strafrechtliche Schritte) völlig ausreichend sind. Solange das bundesweite Stadionverbot aber besteht, fordern wir folgendes:

  • Mehr Nutzung von Alternativ-Maßnahmen. Soziale Arbeit und Einbindung in die Fanszene bringen sehr viel mehr als „Problemfälle“ unter den Fans einfach abzuschieben.
  • Bundesweites Stadionverbot darf nur im äußersten Notfall ausgesprochen werden.
  • Jeder Betroffene soll das Recht dazu haben, Stellung zu beziehen, bevor ein Stadionverbot ausgesprochen wird. Ebenso soll jeder Betroffene darüber informiert werden, dass ihm das zuständige Fanprojekt beratend zur Seite stehen kann. Sollte kein Fanprojekt existieren, soll auf den Fanbeauftragten verwiesen werden.
  • Der Beurteilung durch die Fanprojekte soll eine stärkere Gewichtung beigemessen werden.
  • Die Stellungnahme der Polizei soll ergänzend zur Beurteilung des Falles, aber nicht ausschlaggebend sein.
  • Die Vereine sollen bundesweite Stadionverbote nur dann aussprechen, wenn die Schuld durch ein Gerichtsverfahren oder einer vergleichbaren Instanz einwandfrei bewiesen wurde, und alle anderen Möglichkeiten bereits ausgeschöpft sind. Eine vergleichbare Instanz gibt es momentan de facto nicht. Es ist allerhöchste Zeit, dass ein unabhängiges Gremium zur Entscheidungsfindung zum Thema bundesweite Stadionverbote eingerichtet wird. Es versteht sich von selbst, dass ein solches Gremium eine autonome Stelle sein muss, die zum einen nicht beim DFB angesiedelt sein darf, zum anderen sowohl von Fanseite als auch von DFB und Polizei als Entscheidungsinstanz akzeptiert werden muss.


——————————
“Stand: Juni 2009″