Der Ursprung:

Die Datei wurde 1994, nach einem Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und –senatoren, eingerichtet und wird von der ZIS (Zentrale Informationsstelle Sport, die beim Landeskriminalamt im Bundesland Nordrhein-Westfalen sitzt) geführt. „Konkret geht es darum, auf einer nachvollziehbaren Grundlage zwischen Gewalttätern, auf die sich polizeiliche Maßnahmen konzentrieren sollen, und Fans, denen ein friedlicher Besuch der Spiele ermöglicht werden soll, zu unterscheiden.“ Es sollen hierbei zentral Personen erfasst werden, die im Rahmen von Fußballspielen durch Gewalt- oder Straftaten bereits auffällig geworden sind oder bei denen die Polizei davon ausgeht, dass sie auffällig werden könnten. Unter anderen mit Ausreiseverboten und Meldeauflagen sollen zukünftige Delikte verhindert werden.

Die Realität:

Da alle Bestimmungen, wer wie in die Datei Gewalttäter Sport kommen kann, sehr schwammig sind, kann wirklich jeder in den „Genuss“ eines Eintrags kommen. Personen, die in die Datei aufgenommen werden, werden nicht darüber informiert. Deshalb ist es für jeden wichtig, über dieses Thema Bescheid zu wissen.

Wie komme ich in diese Datei?

Daten von Personen werden gespeichert, wenn:

  • ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde oder wenn die Person strafrechtlich verurteilt worden ist (dieser Punkt gilt für sechzehn verschiedene Straftaten, die hier eingesehen werden können),
  • es zu einem Platzverweis, einer Ingewahrsamnahme oder einer Personalienaufnahme gekommen ist.

Diese Punkte gelten übrigens nicht nur für das Fußballstadion an sich – auch Stadionumfeld und Hin- sowie Rückreise zum/vom Spiel sind betroffen (ob individuell oder organisierte Fahrt ist dabei irrelevant).

Warum ist diese Verfahrensweise problematisch?

  • Weil die Einleitung eines Ermittlungsverfahren nicht heißt, dass der Betroffene wirklich schuldig ist.
  • Weil der Eintrag in der Datei nicht automatisch gelöscht wird, wenn das Ermittlungsverfahren eingestellt wird (auch nicht bei erwiesener Unschuld!).
  • Weil schon Minimalverstöße gegen eines der sechzehn Delikte zu einem Eintrag führen können.
  • Bei Rot über die Ampel gehen, könnte als Gefährlicher Eingriff in den Verkehr gewertet werden. Wer im Winter friert, sollte aufpassen, wie hoch er den Schal ins Gesicht zieht – in einer größeren Gruppe könnte das als Zusammenrottung mit Vermummung gedeutet werden!
  • Weil schon allein die Aufnahme der Personalien (warum auch immer) zu einem Eintrag in die Datei führen kann!

Welche Daten werden gespeichert?

Deine Personalien, der Anlass (üblicherweise Gefahrenabwehr), der Zweck (Kontrolle sprich Überwachung von Dir), das Aktenzeichen, das turnusmäßige Löschungsdatum (grundsätzlich nach 5 Jahren der Speicherung) und die Vereinszugehörigkeit.

Was sind die Folgen einer Speicherung?

Bei sicherheitsrelevanten Spielen kann es sein, dass Du nicht unbeschwert in den Urlaub fahren kannst. Für die Ausreise solltest Du mehr Zeit einplanen: Du wirst intensiv darüber befragt werden, was Du genau zu dieser Zeit an Deinem Ziel vorhast. Du könntest sogar an der Grenze oder am Flughafen an der Ausreise gehindert werden. Im extremsten Fall kann es auch im Vorfeld zu einem schriftlichen Ausreiseverbot, Meldeauflagen während eines entsprechenden Spiels, einer Gefährderansprache am Arbeitplatz oder dem Einzug deines Passes kommen. Aber auch bei einer weiteren Personalienaufnahme, und sei es nur bei einer Führerscheinkontrolle, kann es sein, dass du plötzlich als Gewalttäter behandelt wirst. Nur durch einen Eintrag in der Datei Gewalttäter Sport, von dem Du bis dato noch nicht einmal wusstest…

Wie erfahre ich, ob ich gespeichert bin?

Niemand wird darüber in Kenntnis gesetzt, wenn er gespeichert wird. Informationen über eine etwaige Speicherung erhält man nur auf schriftliche Anfrage. Die entsprechenden Formulare gibt es unter GSDateiAuskunftneu. Wir raten jedem, diese Anfrage zu stellen, damit es nicht irgendwann an der Grenze zu einer bösen Überraschung kommt. Deine Daten dürfen nicht wegen diesem Auskunftsgesuchs gespeichert werden.

Wie kann ich gelöscht werden?

Eine automatische Löschung erfolgt erst nach fünf Jahren. Im Normalfall kannst Du Dich an deinen Landesdatenschutzbeauftragten (www.bundesdatenschutz.de) wenden, um die Löschung zu beantragen. Wenn die Polizei diese verweigert, obwohl der Eintrag nicht gerechtfertigt ist, hilft ein Schreiben durch einen Anwalt weiter. Wende Dich gegebenenfalls an Dein Fanprojekt, das Dir behilflich sein wird. Du kannst Dich auch an den Fanrechtefonds (www.fanrechtefonds.de) wenden.

Wir fordern:

Diese Datei muss abgeschafft werden. Die fast 10.000 (Stand Januar 2008) dort gespeicherten Personen sind nicht annähernd alle Gewalttäter, die Datensammelwut der Polizei betrifft seit geraumer Zeit viele Unschuldige. Solange diese Datei aber besteht, fordern wir folgendes:

  • Überprüfung der Datei durch den Datenschutz (Wer wird wie gespeichert und haben auch „Dritte“ Zugriff auf diese Datei oder warum werden Kartenwünsche durch den DFB mit der Begründung „Datei Gewalttäter Sport“ abgelehnt?).
  • Automatische Löschung bei Einstellung eines Ermittlungsverfahrens.
  • Keine Speicherung aufgrund einer bloßen Personalienaufnahme.
  • Schriftliche Information des Betroffenen bei Speicherung.



BEISPIELE

Ausreiseverbot:

Einem Rostocker Fan wurde am 3. Juni 2005 die Ausreise nach Belfast zum Länderspiel verweigert. Ihm wurde am Flughafen mitgeteilt, dass er seit Kurzem in der Datei Gewalttäter Sport stehe. Er dachte sofort an einen schlechten Scherz, denn er hatte noch nie eine Anzeige wegen Körperverletzung o.ä. bekommen.

Was war passiert?

Nach Rostocks letztem Saisonspiel in Dortmund wurden die Rostocker Fans, ohne vorherigen Zwischenfall, eingekesselt und zum Bahnhof gebracht. Einige der Betroffenen waren polizeilich bekannt – der Großteil allerdings nicht. Sebastian E. kannte die wenigsten davon, aber auch seine Personalien wurden aufgenommen. Was laut Polizei reine Routine war, wurde zu einem Eintrag in der Datei Gewalttäter Sport…

Ausreiseverbot zur EM 2000:

7 Münchener Fußballfans fuhren am 20. Juni 2000 mit dem Zug nach Rotterdam. Kurz vor der Grenze betrat der Bundesgrenzschutz den Zug. Nach einer routinemäßigen Personalienkontrolle musste die Reisegruppe mit aufs Revier, wo sie nach einigen Stunden ein schriftliches Ausreiseverbot bis zum 3. Juli 2000 erhielten und nach Hause geschickt wurden. Keiner der Personen war bis dato auffällig geworden, nur einer von Ihnen musste bereits einmal seine Personalien abgeben, da er sich in Frankfurt im angetrunkenen Zustand im Stadion befand.

Was war passiert?

Kurz zuvor luden die 7 Betroffenen einen anderen Fan aus dem Zug in Ihr Abteil zum Frühstück ein. Bei der Personalienkontrolle wurde festgestellt, dass dieser in der Datei Gewalttäter Sport stand (wegen Abbrennen von Pyrotechnik). Dieses war den Betroffenen nicht bekannt und obwohl sie den BGS-Beamten glaubhaft versicherten, dass der zum Frühstück eingeladene ursprünglich nicht zu Ihrer Reisegruppe gehörte, mussten sie die Heimreise antreten. Das Ausreiseverbot hatte für alle einen Eintrag in der Datei Gewalttäter Sport zur Folge.

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“Stand: Juni 2009″