ProFans nimmt die Einsicht des niedersächsischen Innenministers über den mangelnden Erfolg eines medienwirksam von ihm inszenierten Fangipfels zur Kenntnis. Da auch bei einem zukünftigen Treffen aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre keine lösungsorientierten Ergebnisse zu erwarten sind, steht ProFans einem späteren Termin im November ebenfalls ablehnend gegenüber.

Die bei ProFans organisierten Fankurven machen kein Geheimnis daraus, dass für sie eine „rote Linie“ bereits vor Jahren überschritten worden ist. Dass seitens der Politik immer noch das Wort Dialog in diesem Zusammenhang verwendet wird, bestätigt vielmehr nur die Auffassung, dass der niedersächsische Innenminister sich immer noch nicht, ebenso wie sein Vorgänger und seine Kollegen der anderen Bundesländer, auch nur annähernd mit der Materie Fankultur befasst hat. Dieses belegt u.a. sehr eindrucksvoll die Beantwortung der kleinen Anfrage im niedersächsischen Landtag zum Thema „Fandialog der Landesregierung“ (http://www.landtag-niedersachsen.de/dru … 7-8322.pdf).

Stattdessen drangsaliert und gängelt die Innenpolitik seit Jahrzehnten die Fankurven mit immer weiteren unverhältnismäßigen Maßnahmen, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, wie diese Maßnahmen in der Praxis bei der Basis, nämlich den vielen tausenden Fans, ob nun organisiert oder auch nicht, wahrgenommen werden. Aus diesem Grund sind nachfolgend genannte Punkte für uns Ausschlusskriterien, ohne deren Berücksichtigung und Umsetzung wir keine Basis für etwaige zukünftige Gespräche sehen:

Stärkung der Fanprojekte und deren Stellenwerte
Die Bundesländer verfügen über eine Vielzahl von sehr guten Spezialisten innerhalb der Fanprojekte und der sozialpädagogischen Dienste, die ihnen durchaus in den vergangenen Jahren bei einer Vielzahl von Maßnahmen hätten eine Expertise zur Verfügung stellen können. Leichtfertig werden hier Kapazitäten von den Innenministerien nicht genutzt, während man sich im Nachgang über vollkommen schlüssige Reaktionen aus den Fanszenen wundert. An zahlreichen Standorten ist der Fanszene dieses Gebaren nicht verborgen geblieben, so dass sich vielerorts die Fans selbstständig organisiert haben, was eine Einflussnahme der Fanprojekte immer weiter einschränkt.

Erhalt & Förderung der Stehplätze
Stehplätze sind nicht nur wesentlicher Bestandteil der Fankultur und der Fankurven, sondern vielmehr einer der Eckpfeiler der sozialen Verantwortung der Vereine im Volkssport Fußball. Würde sich die Politik ernsthaft mit dieser Thematik befassen, würde sie zu dem Ergebnis kommen, dass die Abschaffung von Stehplätzen weder lösungsorientiert sein dürfte, noch in irgendeiner Form bei den Fanszenen als Druckmittel anwendbar ist. Viel mehr offenbart die Forderung nach der Abschaffung von Stehplätzen die Ohnmacht und mangelnde Sachkenntnis derer, die sie fordern. Beispiele, dass hiermit von innenpolitischer Seite Sitzschalenwürfe (!) unterbunden werden können, gibt es leider mittlerweile ausreichend. Der Erhalt und die Förderung von Stehplätzen ist für uns alternativlos.

Reisefreiheit- und Bewegungsfreiheit für jeden
In den vergangenen Jahren hat insbesondere Boris Pistorius maßgeblich als niedersächsischer Innenminister in die Reise- und Bewegungsfreiheit von Bürgern eingegriffen, indem er Fans eine Anreise zu Fußballspielen kollektiv untersagt oder die verpflichtende Anreise vorgegeben hat. Des Weiteren haben ihm unterstellte Polizeibehörden mehrfach und umfangreich Fans mit mehrmonatigen Bereichsbetretungsverboten präventiv in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Diese Maßnahmen sind für uns weder mit rechtsstaatlichen Grundprinzipien vereinbar, noch tolerierbar. So lange an einer derartigen Praxis festgehalten wird, sehen wir uns nicht in der Lage über etwaige Gespräche nachzudenken. Fußballfans sind keine Bürger zweiter Klasse.

Rückzug populistischer Einflussnahme der Politik auf Verbände und Vereine
An nahezu allen bundesweiten Standorten erhalten wir zur unserer großen Verwunderung die Rückmeldung, dass die Innenbehörden massiven Druck auf die einzelnen Vereine, sowie die DFL und den DFB ausüben. Wie zielführend diese Einflussnahme in undurchdachten Schnellschüssen wie dem Sicherheitspapier 12:12 inklusive des 9-Punkte-Plans ist, ist mittlerweile offensichtlich. Die Spannungsfelder bestehen unverändert weiter. Auch auf diesen Ebenen ist an der Mehrzahl der Standorte keine Kommunikation zwischen Verein und Fankurve oder Fanvertretern und Verbänden existent. Eine langfristige Rücknahme dieses Plans halten wir für unumgänglich, damit überhaupt bundesweit der status quo ante geschaffen werden kann. Die Initiative hierfür wäre im Rahmen der kommenden IMK zu ergreifen. Vielmehr wäre der einzige relevante Schritt der IMK, die Sportsgerichtbarkeit des DFB und der DFL auf die rein sportlichen Aspekte zu beschränken, um als Rechtsstaat keinen noch weiteren Glaubwürdigkeitsverlust zu erlangen.

Auskunftspflicht bei der Eintragung in Datenbanken

Das Land Niedersachsen führt mehrere tausend Fußballfans überwiegend aufgrund von bloßen Personalienfeststellungen in Datenbanken. In mehreren Klageverfahren mussten bereits zahlreiche widerrechtliche Datensätze gelöscht werden. Eine Reform dieser Datenbanken ist für das zweite Halbjahr 2017 geplant. Eine Einrichtung derartiger Datenbanken lehnen wir grundsätzlich ab. Kurzfristig ist eine automatische schriftliche Informationspflicht der Landesbehörden im Zuge der Reform über jeden einzelnen Eintrag an den Betroffenen nach unserer Auffassung zur Wahrung der Rechtmäßigkeit unumgänglich.

Umsetzung Kennzeichnungspflicht

ProFans fordert endlich die konsequente Umsetzung der Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten. Immer öfter sehen sich Fußballfans maskierten und unidentifizierbaren Beamten gegenüber, die sich dessen bewusst sind und oftmals auch entsprechende Verhaltensmuster an den Tag legen. So lange der niedersächsische Innenminister sich nicht an diesen wesentlichen Punkt aus seiner eigenen Koalitionserklärung * gebunden fühlt, bleibt er für die aktive Fanszene ein unglaubwürdiger Gesprächspartner. *(https://www.gruene-niedersachsen.de/fil … 18_web.pdf , Seite 17)

Stadionverbote sind in Gänze abzulehnen
Das Strafmonopol liegt beim Staat. Sollten Fans im Falle einer Straftat sanktioniert werden, ist dieses Aufgabe des Rechtsstaates. Bis zu diesem Zeitpunkt sind auch Fußballfans Bürger, für die die Unschuldsvermutung gilt. Stadionverbote und die derzeitige Vergabepraxis in Gänze, unabhängig von ihrer Laufzeit, sind daher vollumfänglich abzulehnen. Stadionverbote stellen nicht nur eine Doppelbestrafung der Täter dar, sie entmündigen auch den Rechtsstaat. Pädagogisch erzielen sie zudem keinen Mehrnutzen. Die generelle Forderung aus Reihen der Innenpolitik offenbart auch hier erneut die mangelnde Sachkenntnis über die Wahrnehmung derartiger Maßnahmen an der Basis.

Verzicht auf Kollektivmaßnahmen

In jüngster Vergangenheit wird vermehrt kollektiv gegen Fans agiert, um damit einzelne Verstöße zu ahnden. Beispiele hierfür sind umfangreiche Personalienfeststellungen oder die Verweigerungen der Weiterreise. Diese Praxis lehnt ProFans mit aller Entschiedenheit ab und sieht eine Abkehr hiervon als zwingend notwendig an.

Wir sehen die Umsetzung der vorgenannten Punkte als letzte Möglichkeit der jetzigen niedersächsischen Landesregierung von ihren bisherigen Lippenbekenntnissen der aktuellen Legislaturperiode abzuweichen und endlich zielstrebig und lösungsorientiert für fußball-interessierte Bürger einzutreten. Bevor erforderliche Mindeststandards nicht umgesetzt werden, sieht ProFans keinerlei Veranlassung auf Gespräche einzugehen.

ProFans Braunschweig
ProFans Hannover
ProFans Osnabrück
ProFans Wolfsburg

im Juli 2017