Das Bündnis ProFans reagiert mit Befremden auf die Art und Weise des Umgangs mit den Vorkommnissen des letzten Spieltags.

Auch wenn es immer wieder Vorfälle gibt, die nicht gutzuheißen sind, so wäre es fatal, wenn es in deren Folge zu unbedachten Schnellschüssen von Vereinen oder Verbänden käme. „Die Anfang dieser Woche öffentlich vorgebrachten Vorschläge von Hendrik Große Lefert und auch von Andreas Rettig bieten weder mittelfristig noch langfristig eine Lösung im Sinne des Fußballs“, so Gabriele Mateika von ProFans. Der Vorschlag, Tickets zu personalisieren, steigert vor allem den Verwaltungsaufwand, ohne der Sicherheit wirklich zuträglich zu sein. Beispiele aus den europäischen Nachbarländern zeigen deutlich auf, dass personalisierte Tickets vor allem die Besucherzahlen senken, ohne aber einen Zugewinn an Sicherheit im Stadion zu erbringen.

Die lauten Gedanken darüber, Auswärtsfahrten von Fans gänzlich zu unterbinden, sind eine groteske Wiederspiegelung hysterischer Allmachtsfantasien. „Dreißig Leute laufen aufs Spielfeld, es ist der erste derartige Vorfall in der Saison und es sind ein halbes Prozent der bei dem Spiel anwesenden Gästefans. Und deshalb sollen künftig alle ausgeschlossen werden? Das ist, als wollte man eine Stadtbücherei schließen, weil ein halbes Prozent der Benutzer die ausgeliehenen Bücher manchmal nicht zurückbringt“, kommentiert Sig Zelt von ProFans und bringt die Position des Fanbündnisses auf den Punkt: „Es wäre ein Schlag gegen die Fankultur und auch gegen die Stimmung in den Stadien, ganz abgesehen davon, dass ein solches Verbot kaum durchsetzbar wäre und die Trennung der Fanblöcke in den Stadien unterliefe, wie es Beispiele in der Vergangenheit gezeigt haben.“ Gabriele Mateika ergänzt: „Kollektivstrafen werden von der großen Masse als ungerecht empfunden und vertiefen noch die Gräben zwischen Verbänden, Vereinen und Kurven.“

ProFans mahnt hier ein Umdenken an. Einen positiven Einfluss von Gruppen auf ihre Mitglieder erreicht man nicht dadurch, dass man ganze Gruppen unter das Damoklesschwert ihrer kollektiven Verbannung stellt. Hilfreicher wäre es, wenn die Vereine ihre sozialpädagogische Arbeit weiter intensivierten und auch die benachteiligende Diskriminierung von Gästefans aufhörte.

Schon aus der Wortwahl einiger Medien und Offizieller in den letzten Tagen spricht völlige Abwesenheit von Sachlichkeit und Vernunft. Während Fans immer wieder wegen ihrer derben „Kurvensprache“ kritisiert und teilweise sogar sanktioniert werden, sehen sie sich gleichzeitig selbst als „wilde Tiere“ bezeichnet und als „hirnlos“ diskreditiert.

ProFans steht für einen konstruktiven Dialog zwischen Fans und Vereinen. Dass eine sinnvolle Zusammenarbeit von Vereinen und Fans ein gewisses Vertrauen benötigt und dieses durch strafbare Vergehen von Fans sehr erschüttert wird, steht außer Frage. Wenn jedoch auf der einen Seite Vereine gerade jene Fans vom Dialog ausschließen, mit denen es schwierigere Fragen zu klären gibt und gleichzeitig die Fans zum Teil auf üble Art und Weise öffentlich beleidigen, sind die Chancen für einen konstruktiven Dialog von vornherein verbaut. Vielmehr wird auf diese Weise einer weiteren Radikalisierung von ausgeschlossenen Fans Vorschub geleistet. „Die vorgeschlagenen und zum Teil bereits umgesetzten Maßnahmen nach dem Derby in Mönchengladbach nehmen eine Gruppe aus dem Blickfeld der Fernsehkameras, lösen aber keine Probleme, sondern verlagern diese nur auf andere Bereiche“, stellt Alex Schulz von ProFans fest. Gerade Fans, mit denen es Probleme gibt, sollten vielmehr nach Möglichkeit stärker eingebunden werden in den Dialog und in verantwortliche Aufgaben der Fanarbeit.

Auch nach Vorkommnissen, die ProFans weder unterstützt, noch verharmlosen will, ist ein sachlicher Umgang geboten. Zu glauben, jegliche Störung eines Spieles ließe sich für alle Zukunft verhindern, ist einfach illusionär. Wie Werner Spinner in der Süddeutschen Zeitung anmerkt, gehören zum Dialog auch Rückschläge. ProFans stellt dazu fest, dass Verbände und Vereine sich selbst oftmals kontraproduktiv verhalten haben, indem sie den Fans immer wieder Entscheidungen zugemutet haben, die innerhalb der Fanszenen als massive Rückschläge und Vertrauensbrüche bewertet wurden. Dadurch wurden besonnene Kräfte in den Szenen oft geschwächt, statt gestärkt. „Gerade in den Gesprächen mit den Verbänden hatten wir das Gefühl, dass dort ein Umdenken stattfindet und Probleme erst analysiert und aufgearbeitet werden, bevor man öffentlich Maßnahmen vorschlägt“, so Alex Schulz von ProFans. „Leider wurde dieser Eindruck durch die Aussagen von Hendrik Große Lefert widerlegt.“

ProFans-Sprecher Jakob Falk stellt abschließend fest: „Es ist seit Jahren das Gleiche. Zu ruhigen Zeiten signalisieren alle Verantwortlichen Gesprächsbereitschaft und loben die beeindruckende Fankultur in Deutschland. Sobald es aber unliebsame Vorfälle gibt, wird der Dialog in dem Moment aufgekündigt, da er am nötigsten ist. Gleichzeitig verteufeln die Verantwortlichen vor laufenden Kameras die Fankultur in immer neuen Superlativen und Vergleichen. Vor lauter Hysterie werden dann völlig übertriebene Maßnahmen ins Spiel gebracht und möglichst schnell beschlossen. Die Folgen tragen am Ende vor allem Fans, die mit den jeweiligen Vorfällen gar nichts zu tun haben. Wann werden die Verbände und Vereine endlich lernen, mit solchen Situationen professioneller und vor allem konstruktiver umzugehen?“

ProFans fordert die Verantwortlichen aus den Vereinen und Verbänden dringlich auf, die schnell ins Spiel gebrachten Maßnahmen, sowie die bereits erfolgten Schritte zu überdenken. Positive Veränderungen können durch die erwähnten destruktiven Vorschläge aus Sicht von ProFans nicht erreicht werden.

ProFans, im Februar 2015