Offener Brief von ProFans Union Berlin an den Deutschen Fußball-Bund zum Thema der Handhabung sogenannter Stadionverbote 

Sehr geehrter Herr Niersbach, sehr geehrte Sportfreunde des Präsidiums und Vorstandes des DFB,

am 23. Februar 2013 bewegte sich eine größere Gruppe von Anhängern des 1. FC Union Berlin in Köln, durch fragwürdige Umstände begünstigt, laut singend und Sprechchöre skandierend an der Südseite des Müngersdorfer Stadions entlang. Kölner Fans fühlten sich davon provoziert und begannen die Unioner körperlich zu attackieren, die sich dagegen wehrten. Daraufhin wurden 88 Unionfans in polizeiliches Gewahrsam genommen.

Offensichtlich auf die Verlautbarungen der Polizei gestützt, lasen sich die Meldungen über den Vorfall in verschiedenen Medien wie Bürgerkriegsberichte. Gegen alle 88 Festgesetzten wurden Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Landfriedensbruch eingeleitet. In der Folge sprach der 1. FC Köln gegen die Betroffenen bundesweit gültige Stadionverbote aus.

Unzweifelhaft konnte die den Unmut der Kölner hervorrufende Aktion der Unioner als provokant empfunden werden. Kritik daran war und ist verständlich. Gleichwohl: Es ist nicht verboten, in einer fremden Stadt am helllichten Tage in einer Gruppe singend die Straße entlang zu ziehen. Diesen Hergang zum Anlass zu nehmen, denjenigen für lange Zeit bundesweit den Eintritt zu allen höherklassigen Fußballspielen zu verwehren, ist absurd.

Ähnlich sah es offenkundig auch die Kölner Staatsanwaltschaft, die inzwischen alle 88 Ermittlungsverfahren mangels eines hinreichenden Tatverdachts nach § 170 (2) StPO einstellte. Den Regularien des DFB folgend, musste daraufhin auch der 1. FC Köln auf Antrag der Unionfans all die ausgesprochenen Stadionbetretungsverbote zurücknehmen. Allerdings wäre dies nicht geschehen, hätten sich die Betroffenen nicht anwaltlich vertreten lassen: Da die Kölner Staatsanwaltschaft Beschuldigte nicht routinemäßig über die Einstellung ihres Verfahrens informiert, konnten die zu Unrecht mit Stadionverbot Belegten nur mittels anwaltlicher Akteneinsicht zu ihrem Recht kommen. Hatte es schon etliche Monate bis zur Einstellung der Verfahren gedauert, zog es sich nun auch noch über Wochen hin, bis endlich die Stadionverbote für die einzelnen Betroffenen seitens des aussprechenden Vereins zurückgenommen waren.

Es muss wohl nicht erst großartig spekuliert werden, wie sich die Rücknahme von Stadionverboten, deren Begründung sich als unzutreffend erwiesen hat, in einer derart hohen Anzahl, nach einem Jahr Laufzeit, auf die Akzeptanz dieses Mittels selbst in jenen Teilen der Fanszene auswirkt, die bislang ein gewisses Verständnis dafür aufbrachten. Bei einem Teil der jüngeren Fans ist die Wirkung allerdings verheerend: Ihnen geht nach und nach jeder Respekt vor den Verbänden und vor der Autorität ihrer Vertreter verloren. Der Sicherheit in deutschen Fußballstadien wird damit ein Bärendienst erwiesen.

Stadionverbote ohne bewiesene Tatvorwürfe zu verhängen, steht mit Recht schon seit vielen Jahren in der Kritik von Fanorganisationen wie auch Fanprojekten und Wissenschaftlern. Wir fordern den Deutschen Fußball-Bund auf, das Geschehen um die 88 Berliner Unionfans zum Anlass zu nehmen, endlich davon abzurücken, Fußballfans auf reinen Verdacht hin auszusperren.

Darüber hinaus wäre es ein Zeichen des guten Anstands, würde der DFB in den vorliegenden Fällen für die überwiegend nicht gerade finanziell gut situierten Fans wenigstens deren Anwaltskosten übernehmen, insoweit diese zum Zwecke der Aufhebung der Stadionverbote unvermeidlich entstanden sind.

Mit freundlichen Grüßen ProFans Union Berlin