ProFans fordert sofortige Aufhebung von Stadionverboten

Berlin, den 12.10.2020

Seit der vergangenen Woche erschüttert erneut ein Skandal den Deutschen Fußballbund, wieder einmal geht es um Steuerhinterziehung. Einnahmen aus Bandenwerbung sollen nicht als geschäftliche Erlöse deklariert worden sein. Jeder Schatzmeister im Vereinswesen weiß, dass so etwas eine wirtschaftliche Tätigkeit ist, die in bestimmtem Umfang der Gemeinnützigkeit nicht entgegensteht, jedoch nicht unter deren Steuerbegünstigung fällt. Steuerhinterziehung in der fraglichen Höhe (rund 4,7 Mio Euro) zieht üblicherweise immer Haftstrafen ohne Bewährung nach sich.

Presseberichten ist zu entnehmen, dass offensichtlich unter anderem gegen Reinhard Grindel, Dr. Rainer Koch und Dr. Reinhard Rauball als Beschuldigte ermittelt werde. In der Stadionverbotsrichtlinie des DFB heißt es, dass ein bundesweit wirksames Stadionverbot ausgesprochen werden soll „bei eingeleiteten Ermittlungs- oder sonstigen Verfahren, insbesondere in folgenden Fällen … 15. Sonstige schwere Straftaten im Zusammenhang mit Fußballveranstaltungen“. Dies trifft hier unzweifelhaft zu.

Bei ähnlich schwerwiegenden Delikten, aus der Fanszene heraus begangen, machen Vereine und der Verband sofort öffentlich, dass die Beschuldigten Stadionverbote erhalten. Innenminister profilieren sich dann gern, indem sie ‚lebenslange‘ Betretungsverbote fordern. Im aktuellen Fall ist jedoch in keiner Weise von etwaigen Stadionverboten gegen die betreffenden Herren die Rede. Auch schon bei den Ermittlungsverfahren von 2015 bis 2020 gegen führende, zum Teil ehemalige, DFB-Funktionäre, die übrigens weder mit Freispruch noch mit Verfahrenseinstellung mangels hinreichenden Tatverdachts endeten, was nach den DFB-Regeln zur Aufhebung eines Stadionverbotes Anlass geben würde, kamen die Betreffenden ungeschoren davon.

ProFans kritisiert grundsätzlich das Instrument der bundesweiten Stadionverbote. Sie werden als Sicherheitsmaßnahme verbrämt, um sie juristisch legitimieren zu können, sind jedoch als Strafe gedacht und werden auch als solche wahrgenommen. Ihr tatsächlicher Einfluss auf aggressive Verhaltensweisen ist umstritten. Unabhängig davon kritisiert ProFans jedoch ganz besonders die in der genannten Richtlinie festgeschriebene Praxis, Stadionverbote zu erteilen, bevor eine Schuld erwiesen ist, und fordert seit vielen Jahren die Anwendung des Rechtsgrundsatzes der Unschuldsvermutung. Wenn dieser Grundsatz nun tatsächlich Gehör findet, indem er für verantwortliche hohe Funktionäre gilt, dann ist es in keiner Weise hinnehmbar, dass einfachen Fußballfans in sehr viel geringfügigeren Verdachtsfällen der Besuch von Fußballspielen verboten bleibt. Es ist die große Mehrzahl aller Stadionverbote, die nur auf Verdacht hin ausgesprochen werden.

ProFans-Sprecher Jörn Brauer bringt es auf den Punkt: „Hier geht es um Straftaten mit mehreren Millionen Euro Schaden für die Allgemeinheit und der DFB denkt nicht daran, Stadionverbote auszusprechen. Währenddessen sind einfache Fans mit Stadionverbot sanktioniert, nur weil sie etwa verdächtigt werden, ein Bier nicht bezahlt zu haben.“ Pressesprecher Sig Zelt ergänzt: „Das ist genau das Prinzip: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. Das ist extrem empörend und verletzt den Gerechtigkeitssinn der Fans.“

Indem der DFB eine derartige eklatante Ungleichbehandlung duldet, befeuert er wissentlich die konfrontative Spannung zwischen Verband und Fanbasis. Das ist das Gegenteil von gesellschaftlicher Verantwortung. Nur der Verzicht auf alle Stadionverbote – zumindest auf jene, die sich nur auf eine unbewiesene Beschuldigung gründen – kann die logische Konsequenz sein!

ProFans, im Oktober 2020