ProFans zur aktuellen hausgemachten Krise des Profifußballs

Berlin, den 24.04.2020

Seit gestern haben wir nun noch mehr Gewissheit: Wir werden eine gespenstische Saisonfortsetzung erleben. Allen berechtigten Einwänden zum Trotz kommt der Fußball wieder ins Rollen.

Neben diesem traurigen Fakt fällt die Vehemenz ins Auge, mit der einige Medien einen “tiefen Riss” durch die Fanszenen attestieren wollen. Dies entbehrt jeder Grundlage. Vielmehr teilen die bei ProFans angeschlossen Gruppen die Kritik der „Fanszenen Deutschlands“ vom 16.04.2020. Wie Sprecher Sig Zelt erklärt: „Die Schnittmenge zwischen den bei ProFans und ‚Fanszenen Deutschlands‘ organisierten Gruppen ist erheblich, die Standpunkte werden breit geteilt. Die allermeisten jener Fans, die trotzdem aus Angst um das Überleben ihres Vereins – und nur deswegen – Spiele ohne Publikum tolerieren werden, finden sie dennoch gruslig. Insofern ist die Darstellung zahlreicher Medien in den letzten Wochen irreführend, dass es eine vermeintliche Spaltung der aktiven Fans gebe.“

ProFans stellt sich eher die Frage, welche Berufsauffassung einige Journalisten haben. Die kritiklose Betrachtung des inhaltsleeren Konzeptes „Task Force Sportmedizin/Sonderspielbetrieb im Profifussball“ und die Ausblendung der Frage, wie es dazu kommen konnte, stellen einen objektiven Journalismus infrage. Stattdessen wird von einigen Medienvertretern das groteske Narrativ verfolgt, dass die Fans die größte Gefahr für den sicheren Spielbetrieb seien. ProFans stellt hierzu fest, dass in den letzten Tagen vermehrt Medienanfragen eintrafen, die jeder journalistischen Sorgfalt widersprachen. Einige Medienvertreter sind sich hier offensichtlich nicht zu schade, sich zu Hofnarren der Funktionäre zu machen. Wo bleiben hingegen, um ein weiteres Beispiel zu nennen, die kritischen Nachfragen zu dem groß angekündigten Solidartopf der Liga?

ProFans wird sich nicht mehr an der kruden Diskussion um Geisterspiele beteiligen. Dass diese Diskussion überhaupt geführt wird, ist ein Ausdruck der völlig falschen Entwicklung im Fußball, die seit Langem von aktiven Fans kritisiert wird. Wichtiger ist der Blick in die Zukunft. Sind Verbände und Vereine fähig, aus der heutigen absurden Situation zu lernen? Ein Ligaverband, der unfassbare Mengen an Geld generieren kann, sieht nach wenigen Wochen erzwungener Unterbrechung des Spielbetriebs existenzielle finanzielle Bedrohungen? Stephan Schell von ProFans weist darauf hin: “Genau das ist der Punkt, den wir seit vielen Jahren kritisieren: Es geht im Fußball nur noch um Gewinnmaximierung für einige wenige. Nicht nur, dass er all die ihm spezifischen ideellen Werte mit Füßen tritt – von der Fanbasis entfernt er sich immer mehr. In der Krise sind die Fans gut, ihre Vereine zu retten, aber später werden ihre Interessen wieder ignoriert.”

Jörn Brauer ergänzt: “Es kann so nicht weitergehen, das ist heute offensichtlicher denn je. Das Diktat des großen Geldes, die Abhängigkeit von privaten Investoren, die damit verbundene Wettbewerbsverzerrung gehen meilenweit an all dem Positiven vorbei, das sich Fans wie auch Zuschauer und Sympathisanten vom Fußball wünschen und ihm vielfach aktiv geben.” Schon viel zu lange ist der Fußball nicht mehr für die Fans da. Die Anstoßzeiten, die Stadionnamen, sogar die Symbole des Vereins – wie in Leipzig – alles wird vermarktet, an andere verkauft, statt es den Vorstellungen der Fans anzupassen. Daneben wird die Schere zwischen den „Großen“ und den „Kleinen“ immer größer, der Wettbewerb dadurch immer weniger spannend.

Es ist Zeit zu einem wirklichen Umdenken. Leidenschaftliches Engagement vieler Menschen gehört respektiert, nicht das seelenlose kurzfristige Einbringen branchenfern erwirtschafteten Geldes. Fußball hat vor allem für die da zu sein, die sich in den Vereinen und für die Vereine engagieren – und denen dort die Rechte der Mitbestimmung zukommen. Anstatt diese Menschen zu unterstützen und ihr Interessenvertreter zu sein, ignorieren der Deutsche Fußballbund, die deutsche Fußball-Liga und Vereine ihre Anliegen, überziehen sie noch mit Kollektivstrafen und kriminalisieren sie.

Wir wollen stolz sein auf unsere Vereine und auf das, was wir dort gemeinsam schaffen. Keiner kann stolz sein, wenn ein vermögender Gönner den Platz in der Bundesliga oder den internationalen Erfolg erkauft.

Um es mit aller Deutlichkeit zu sagen: DFB und DFL werden sich nicht daran messen lassen müssen, ob Deutschland Europameister wird oder in den nächsten Jahren ein deutscher Verein die Champions League gewinnt. Die Frage der Zukunft ist, ob der Fußball weiterhin solvente Investoren und deren Kapital anbetet oder vielmehr dem Willen und den Vorstellungen der Massen folgt, die ihn tragen. Für Letzteres den Rahmen zu setzen – genau das ist die Aufgabe von DFB und DFL.

ProFans, im April 2020