Einige Dutzend deutscher Zuschauer haben vor einer Woche während des Spiels der Fußball-Nationalmannschaft in Prag für einen Eklat gesorgt. Wie berichtet wurde, waren nazistische und rassistische Parolen zu hören, die Nationalhymnen und eine Schweigeminute wurden gestört.

Das hat nicht das Mindeste mit der Fankultur gemein, die wir und ProFans vertreten. Wir distanzieren uns nachdrücklich von den Unflätigkeiten und allen menschenverachtenden Äußerungen. Sport ist ein Medium, das alle Menschen verbindet. Lebensfreude und Integration sind Leitmotive des Sports, nicht rassistischer Hass.

Gut, dass sich Woche für Woche ein anderes Bild in den deutschen Fußballstadien zeigt. Gewachsene Fankulturen haben dafür gesorgt, dass die vor Jahren noch alltägliche Diskriminierung beim Fußball deutlich geschwunden ist. Gerade auch die Ultrà-Gruppen haben daran ihren Anteil.

Für die Nationalmannschaft hingegen glaubt der DFB die Fankultur per Administration von oben bestimmen zu können. Wo in den Fanszenen der Vereine glühende Fußballanhängerinnen und -anhänger Verantwortung und Engagement zeigen, schreibt man sich für die Nationalmannschaft gezwungenermaßen, um Eintrifttskarten zu bekommen, in ein gemeinsam mit einem Getränkekonzern geschaffenes Programm des Verbandes ein, genannt: “Fan Club Nationalmannschaft powered by Coca-Cola”. Die Degradierung zum Kunden erstickt jedes Verantwortungsgefühl. Der eigene Beitrag besteht nurmehr in der Geldzahlung, nicht etwa in aktiver Mitwirkung. So muss man auch sehen, dass das überdimensionale Transparent am Montag im Stuttgarter Neckarstadion, wenngleich es die Intention von Zuschauern getroffen haben mag, keineswegs eine Äußerung von Fans war, sondern vielmehr ein Statement des DFB.

Umso verstörender wirken die Äußerungen einiger Verbandsfunktionäre. Reinhard Grindel versteigt sich darein, den tschechischen Gastgebern eine Teilschuld zu geben, weil sie Karten frei verkauft haben. Die Ursache rechtsradikaler Ausfälle im freien Kartenverkauf zu suchen, ist eine geradezu absurde Ablenkung von der eigenen Verantwortung. Der DFB täte besser daran, eine lebendige Fankultur zu fördern. Dann würden sich wohl auch im Umkreis der Nationalelf genügend Fans gegen derartige
Tendenzen engagieren, so dass solche Vorkommnisse schließlich nicht mehr geschehen.

Dr. Rainer Koch ist sich nicht zu schade, Ultras mit bengalischen Lichtern in geistige Nähe nazistischer Grölereien zu setzen. Das in einen Topf zu werfen, ist entweder demagogisch, oder Herr Dr. Koch hat von den Verhältnissen in den Fanszenen schlichtweg keine Ahnung. Man muss sich dabei fragen, wie weit es wirklich mit dem von Herrn Grindel reklamierten Umdenken ist, wenn doch gleich wieder nach Instrumenten der Kontrolle und Repression gerufen wird, anstatt sich darüber Gedanken zu machen, wie man die Köpfe erreicht.

Schon im Vorfeld hatte Oliver Bierhoff verbandskritische Fans wie auch kritische Medien und ebenso staatliche Organe wie etwa die Hessische Staatsanwaltschaft oder Finanzbehörden zu Angreifern auf die deutsche Nationalmannschaft erklärt. “Im Grunde genommen basteln sie sich in der Otto-Fleck-Schneise nach wie vor ihre eigene Welt zurecht, aus der sie alles aussperren wollen, was da nicht hinein passt”, ist der Tenor unter den Union-Fans, die sich bei ProFans engagieren. Weiter hört man dort die Meinung: “Es wird dringend Zeit, dass die Herren zurückfinden in die Realität der Gesellschaft, sonst wird diese komplett an ihnen vorbeilaufen.”

ProFans Union Berlin, im September 2017

Auf den ersten Blick mögen das Pressezentrum des G20 Gipfels in Hamburg und die „Hänsch-Arena“ in Meppen nicht allzu viel miteinander zu tun haben. Es lohnt sich aber ein zweiter, genauerer Blick:

Der Entzug der Akkreditierung für Journalisten im Rahmen des G20 Gipfels in Hamburg war – Stand jetzt – in 4 Fällen rechtswidrig. Das musste das Bundesinnenministerium nun einräumen. In den Medien kann man nun die ohne Frage skurrilen Einträge, die den betroffenen Journalisten in verschiedenen Datenbanken zugeschrieben werden, nachlesen. Es steht außer Frage, dass die Speicherung und die daraus folgenden Konsequenzen Unrecht sind – die große Frage, die sich uns stellt, ist vielmehr: warum fällt das erst jetzt auf?

Fussballfans warnen seit knapp zwei Jahrzehnten vor den immer weiterführenden Maßnahmen der Ermittlungsbehörden und ihrer Datensammelwut. In den vergangenen Jahren flogen zuhauf nachweislich illegale Datenbanken der Behörden auf. Immer neue Datenbanken werden angekündigt. Nebenbei werden die alten Sammlungen gut gefüllt. Wer als Fussballfan – und dazu raten wir jedem! – ein Auskunftsersuchen über die Speicherung von Daten zu seiner Person bei den Behörden stellt, erfährt so manche skurrile bis absurde Überraschung. Natürlich werden hier längst eingestellte Verfahren erfasst. Selbstverständlich wird hier jede Personalienfeststellung, oder auch nur Beobachtung von sogenannten Szenekundigen Beamten (SKB) bis zum Sankt- Nimmerleins-Tag gespeichert.

Und wenn mal wieder ein Hochsicherheitsspiel ansteht, was nach Einschätzung der Behörden quasi jedes zweite Wochenende der Fall ist, dann schlägt die große Stunde der Schreibtischtäter: „Betretungsverbot“ heißt derzeit das Mittel der Wahl – quasi der Entzug der Akkreditierung als Fussballfan. Ein Stadionverbot ist dafür nicht notwendig, die sonstigen Einträge aus den Datenbanken der „Ermittler“ genügen völlig. Und weil es selbstverständlich nicht reicht „nur“ den Ort des Geschehens während des Zeitraums des Geschehens nicht betreten zu dürfen, wird der Geltungsbereich gleich über die halbe Stadt und über den Zeitraum von einer Woche ausgedehnt. So geschehen für das Spiel unseres VfL Osnabrück in Meppen.

Wenn Justizminister Heiko Maas im Zusammenhang mit den polizeilichen Eintragungen der G20 Journalisten sagt „Unnötig gespeicherte Daten schaffen nicht mehr, sondern weniger Sicherheit. Sie erschweren die Suche nach den wirklich relevanten Informationen.“ Dann fragen wir uns, ganz ehrlich, was soll man zu derartigen Eintragungen sagen?

„Unbekannte Täter haben vor einem Vorbereitungsspiel des SV Meppen in Schwagstorf massive Schmierereien an dem dortigen Vereinsheim, Banden und Verkehrszeichen inhaltlich gegen den SV Meppen und pro VfL Osnabrück angebracht. Die Ermittlungen zu diesen Sachbeschädigungen sind noch nicht abgeschlossen; Ihre Tatbeteiligung bisher nicht auszuschließen.“

(entnommen aus diversen Anhörungsschreiben im Vorfeld des Spiels gegen den SV Meppen gem § 28 VwVfG im Vorfeld der Anordnung eines Aufenthalts- und Betretungsverbotes nach § 17 Abs. 4 Nds.SOG, der Anordnung des sofortigen Vollzuges und der Androhung von Zwangsmitteln)

Hier werden offensichtlich Daten nach dem „Frank-Buschmann-Prinzip“ („Wo warst du, als dieses oder jenes passierte?!“) gesammelt und eben auch verwendet um weit in die Persönlichkeitsrechte hineinreichende Maßnahmen zu veranlassen. Der Zweifel wird hier zur Rechtfertigung polizeilicher Maßnahmen verklärt. Die Gewissheit, dass die Sammlung und Speicherung der Daten in dieser Form rechtswidrig ist, wird ignoriert und die Einsicht, dass mehr Daten nicht mehr Erkenntnis bedeuten, bleibt aus. Auch wenn für eine sogenannte präventiv-polizeiliche Gefahrenprognose o.g. Beobachtungen von SKB oder nicht nachgewiesene Taten herangezogen werden dürfen, derartige Quatscheinträge sollten nicht zu den „wirklich relevanten Informationen“ gehören, die Minister Maas anspricht.

Ebenso absurd wie die Begründung erscheint im übrigen der Zeitraum der geplanten Maßnahme: eine Woche lang dürfen die Betroffenen große Teile der Stadt Meppen nicht betreten.

„Freitag, 15.09.2017 ab 00:00 Uhr bis Donnerstag, den 21.09.17 24:00 Uhr.“ Das Spiel findet am 20.09.17 um 18:30 Uhr statt. Wenn jetzt noch der SV Meppen um eine frühzeitige Anreise bittet, ist der Witz perfekt. Auch mit sehr viel Phantasie ist nur schwer auszudenken, welche Bedrohungslage der Polizeiinspektion Emsland/Grafschaft Bentheim hier vorschwebt.

Natürlich kann und sollte man derartige Maßnahmen der Behörden rechtlich prüfen lassen. Im Gegensatz zu den Behörden, denen kein Mittel und Aufwand zu abwegig erscheinen, sind unsere Ressourcen allerdings begrenzt. Deswegen ist die gesellschaftliche Diskussion, wie sie nun gerade in Gang gekommen zu sein scheint, mehr als überfällig.

1984 is now!

ProFans Osnabrück, im August 2017

ProFans nimmt die Einsicht des niedersächsischen Innenministers über den mangelnden Erfolg eines medienwirksam von ihm inszenierten Fangipfels zur Kenntnis. Da auch bei einem zukünftigen Treffen aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre keine lösungsorientierten Ergebnisse zu erwarten sind, steht ProFans einem späteren Termin im November ebenfalls ablehnend gegenüber.

Die bei ProFans organisierten Fankurven machen kein Geheimnis daraus, dass für sie eine „rote Linie“ bereits vor Jahren überschritten worden ist. Dass seitens der Politik immer noch das Wort Dialog in diesem Zusammenhang verwendet wird, bestätigt vielmehr nur die Auffassung, dass der niedersächsische Innenminister sich immer noch nicht, ebenso wie sein Vorgänger und seine Kollegen der anderen Bundesländer, auch nur annähernd mit der Materie Fankultur befasst hat. Dieses belegt u.a. sehr eindrucksvoll die Beantwortung der kleinen Anfrage im niedersächsischen Landtag zum Thema „Fandialog der Landesregierung“ (http://www.landtag-niedersachsen.de/dru … 7-8322.pdf).

Stattdessen drangsaliert und gängelt die Innenpolitik seit Jahrzehnten die Fankurven mit immer weiteren unverhältnismäßigen Maßnahmen, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, wie diese Maßnahmen in der Praxis bei der Basis, nämlich den vielen tausenden Fans, ob nun organisiert oder auch nicht, wahrgenommen werden. Aus diesem Grund sind nachfolgend genannte Punkte für uns Ausschlusskriterien, ohne deren Berücksichtigung und Umsetzung wir keine Basis für etwaige zukünftige Gespräche sehen:

Stärkung der Fanprojekte und deren Stellenwerte
Die Bundesländer verfügen über eine Vielzahl von sehr guten Spezialisten innerhalb der Fanprojekte und der sozialpädagogischen Dienste, die ihnen durchaus in den vergangenen Jahren bei einer Vielzahl von Maßnahmen hätten eine Expertise zur Verfügung stellen können. Leichtfertig werden hier Kapazitäten von den Innenministerien nicht genutzt, während man sich im Nachgang über vollkommen schlüssige Reaktionen aus den Fanszenen wundert. An zahlreichen Standorten ist der Fanszene dieses Gebaren nicht verborgen geblieben, so dass sich vielerorts die Fans selbstständig organisiert haben, was eine Einflussnahme der Fanprojekte immer weiter einschränkt.

Erhalt & Förderung der Stehplätze
Stehplätze sind nicht nur wesentlicher Bestandteil der Fankultur und der Fankurven, sondern vielmehr einer der Eckpfeiler der sozialen Verantwortung der Vereine im Volkssport Fußball. Würde sich die Politik ernsthaft mit dieser Thematik befassen, würde sie zu dem Ergebnis kommen, dass die Abschaffung von Stehplätzen weder lösungsorientiert sein dürfte, noch in irgendeiner Form bei den Fanszenen als Druckmittel anwendbar ist. Viel mehr offenbart die Forderung nach der Abschaffung von Stehplätzen die Ohnmacht und mangelnde Sachkenntnis derer, die sie fordern. Beispiele, dass hiermit von innenpolitischer Seite Sitzschalenwürfe (!) unterbunden werden können, gibt es leider mittlerweile ausreichend. Der Erhalt und die Förderung von Stehplätzen ist für uns alternativlos.

Reisefreiheit- und Bewegungsfreiheit für jeden
In den vergangenen Jahren hat insbesondere Boris Pistorius maßgeblich als niedersächsischer Innenminister in die Reise- und Bewegungsfreiheit von Bürgern eingegriffen, indem er Fans eine Anreise zu Fußballspielen kollektiv untersagt oder die verpflichtende Anreise vorgegeben hat. Des Weiteren haben ihm unterstellte Polizeibehörden mehrfach und umfangreich Fans mit mehrmonatigen Bereichsbetretungsverboten präventiv in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Diese Maßnahmen sind für uns weder mit rechtsstaatlichen Grundprinzipien vereinbar, noch tolerierbar. So lange an einer derartigen Praxis festgehalten wird, sehen wir uns nicht in der Lage über etwaige Gespräche nachzudenken. Fußballfans sind keine Bürger zweiter Klasse.

Rückzug populistischer Einflussnahme der Politik auf Verbände und Vereine
An nahezu allen bundesweiten Standorten erhalten wir zur unserer großen Verwunderung die Rückmeldung, dass die Innenbehörden massiven Druck auf die einzelnen Vereine, sowie die DFL und den DFB ausüben. Wie zielführend diese Einflussnahme in undurchdachten Schnellschüssen wie dem Sicherheitspapier 12:12 inklusive des 9-Punkte-Plans ist, ist mittlerweile offensichtlich. Die Spannungsfelder bestehen unverändert weiter. Auch auf diesen Ebenen ist an der Mehrzahl der Standorte keine Kommunikation zwischen Verein und Fankurve oder Fanvertretern und Verbänden existent. Eine langfristige Rücknahme dieses Plans halten wir für unumgänglich, damit überhaupt bundesweit der status quo ante geschaffen werden kann. Die Initiative hierfür wäre im Rahmen der kommenden IMK zu ergreifen. Vielmehr wäre der einzige relevante Schritt der IMK, die Sportsgerichtbarkeit des DFB und der DFL auf die rein sportlichen Aspekte zu beschränken, um als Rechtsstaat keinen noch weiteren Glaubwürdigkeitsverlust zu erlangen.

Auskunftspflicht bei der Eintragung in Datenbanken

Das Land Niedersachsen führt mehrere tausend Fußballfans überwiegend aufgrund von bloßen Personalienfeststellungen in Datenbanken. In mehreren Klageverfahren mussten bereits zahlreiche widerrechtliche Datensätze gelöscht werden. Eine Reform dieser Datenbanken ist für das zweite Halbjahr 2017 geplant. Eine Einrichtung derartiger Datenbanken lehnen wir grundsätzlich ab. Kurzfristig ist eine automatische schriftliche Informationspflicht der Landesbehörden im Zuge der Reform über jeden einzelnen Eintrag an den Betroffenen nach unserer Auffassung zur Wahrung der Rechtmäßigkeit unumgänglich.

Umsetzung Kennzeichnungspflicht

ProFans fordert endlich die konsequente Umsetzung der Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten. Immer öfter sehen sich Fußballfans maskierten und unidentifizierbaren Beamten gegenüber, die sich dessen bewusst sind und oftmals auch entsprechende Verhaltensmuster an den Tag legen. So lange der niedersächsische Innenminister sich nicht an diesen wesentlichen Punkt aus seiner eigenen Koalitionserklärung * gebunden fühlt, bleibt er für die aktive Fanszene ein unglaubwürdiger Gesprächspartner. *(https://www.gruene-niedersachsen.de/fil … 18_web.pdf , Seite 17)

Stadionverbote sind in Gänze abzulehnen
Das Strafmonopol liegt beim Staat. Sollten Fans im Falle einer Straftat sanktioniert werden, ist dieses Aufgabe des Rechtsstaates. Bis zu diesem Zeitpunkt sind auch Fußballfans Bürger, für die die Unschuldsvermutung gilt. Stadionverbote und die derzeitige Vergabepraxis in Gänze, unabhängig von ihrer Laufzeit, sind daher vollumfänglich abzulehnen. Stadionverbote stellen nicht nur eine Doppelbestrafung der Täter dar, sie entmündigen auch den Rechtsstaat. Pädagogisch erzielen sie zudem keinen Mehrnutzen. Die generelle Forderung aus Reihen der Innenpolitik offenbart auch hier erneut die mangelnde Sachkenntnis über die Wahrnehmung derartiger Maßnahmen an der Basis.

Verzicht auf Kollektivmaßnahmen

In jüngster Vergangenheit wird vermehrt kollektiv gegen Fans agiert, um damit einzelne Verstöße zu ahnden. Beispiele hierfür sind umfangreiche Personalienfeststellungen oder die Verweigerungen der Weiterreise. Diese Praxis lehnt ProFans mit aller Entschiedenheit ab und sieht eine Abkehr hiervon als zwingend notwendig an.

Wir sehen die Umsetzung der vorgenannten Punkte als letzte Möglichkeit der jetzigen niedersächsischen Landesregierung von ihren bisherigen Lippenbekenntnissen der aktuellen Legislaturperiode abzuweichen und endlich zielstrebig und lösungsorientiert für fußball-interessierte Bürger einzutreten. Bevor erforderliche Mindeststandards nicht umgesetzt werden, sieht ProFans keinerlei Veranlassung auf Gespräche einzugehen.

ProFans Braunschweig
ProFans Hannover
ProFans Osnabrück
ProFans Wolfsburg

im Juli 2017

Bundesweite Fanorganisation lehnt Showveranstaltung des niedersächsischen Innenministers ab.

Wie auch im April 2016 plant der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius erneut ein Fantreffen.
Auch in diesem Jahr sind bereits vorab die genehmen und unangenehmen Themen wie beispielsweise Pyrotechnik im Rahmen eines vermeintlichen ‚Dialogs‘ nach den eigenen Vorstellungen des Ministers für Sport und Inneres klar vorgegeben. Wie dieser Dialog mit Fans nach der Vorstellung von Herrn Pistorius auszusehen hat, wurde allen Stadiongängern deutlich, als beide Saisonspiele des VfL Osnabrück gegen den SC Preussen Münster in der Saison 2015/2016 – nicht zuletzt auf Weisung des Innenministeriums – unter kollektivem Ausschluss sämtlicher Gästefans stattfanden. Bereits in der Saison 2013/2014 wurde aus dem Innenministerium die sogenannte und letztlich rechtswidrige “Buszwang-Regelung” für anreisende 96-Fans beim Spiel Eintracht Braunschweig gegen Hannover 96 lanciert und später vor Gericht gekippt. Dies offenbart mehr als deutlich das Rechtsverständnis des Boris Pistorius, sowie seine generell sehr kurzsichtige Auffassung mit Verboten Lösungen zu erzwingen. Dass diese Maßnahmen weder zur Zufriedenheit der Fans, noch zur Lösung der eigentlichen Herausforderungen an sich beitragen, ist hinlänglich bekannt.

Zudem wird das Teilnehmerfeld des nun verkündeten „Fankongress“ nicht aus gewählten und im Ehrenamt teilweise bereits über Jahrzehnte aktiven Vertretern der Fangremien der niedersächsischen Fankurven oder sachkundigen Mitarbeitern von Fanprojekten, sondern einerseits per Losverfahren aus Bewerbern und andererseits aus bisher unbekannten ‚Prominenten‘ zusammengesetzt. Spätestens hier ist für jeden neutralen Beobachter klar ersichtlich, dass es sich nicht um eine lösungsorientierte Veranstaltung zum Wohl der Fankultur handeln wird.

Es liegt den betroffenen Fanszenen aus Niedersachsen fern, auf Kosten der Fankultur den Steigbügelhalter für eine Kandidatur zum Bundesinnenminister für Herrn Pistorius zu mimen.
Der Niedersächsische Innenminister hat sich in den vergangenen Jahren in keiner Form jemals als sachlicher oder verlässlicher Ansprechpartner für die aktiven Fanszenen erwiesen, dessen Bestreben es sei, die Fankultur in den Fankurven zu fördern. Stattdessen ließ er keine Gelegenheit aus wider aller zur Verfügung stehenden Einschätzungen von geschulten Fanprojekten seine ganz eigene Definition von Fankultur zu diktieren, in dem er lieber über als mit den Fanvertretern sprach. Dieser Umstand blieb auch in der eigenen Partei nicht unentdeckt. Die JUSOS Niedersachsen stellten dazu öffentlich klar, dass der Fußball den Fans gehöre und erinnerten den Minister für Sport und Inneres an die im Koalitionsvertrag zugesagte, aber bisher nicht umgesetzte Kennzeichnungspflicht für Polizisten in Niedersachsen.

Vor diesem Hintergrund werden sich die bei ProFans organisierten Fangruppen weiterhin sachlich und realitätsnah mit dem Thema ‘Fankultur’ beschäftigen und dem Treffen eine klare Absage erteilen. Herrn Pistorius möchten wir hingegen darum bitten, sich um die wichtigen Probleme des Landes zu kümmern. Der Fußball gehört mit Sicherheit nicht dazu.

Die Fankultur selbst, dies legt schon der Wortlaut nahe, gehört in erster Linie einen: den Fans.

ProFans Braunschweig
ProFans Hannover
ProFans Osnabrück
ProFans Wolfsburg

im Juni 2017

Wie man ein künstliches Horror-Szenario heraufbeschwört, Teil 3

Wir mussten in der Vergangenheit die Erfahrung machen, dass sich unsere Spiele nicht selten dafür instrumentalisieren lassen, sie als künstliches Horror-Szenario darzustellen, die den Spieltag und die Nachberichterstattung erheblich behindern und mit falschen Tatsachen überhäufen. Was sich aber im Vorfeld der gestrigen Partie gegen den SV Sandhausen abgespielt hat, überraschte selbst uns und lässt zahlreiche offene Fragen zurück. Das Horror-Szenario wurde diesmal innerhalb kürzester Zeit konstruiert. Wir müssen die Uhr hierfür gerade einmal knapp zwei Wochen zurückdrehen.

Erster Vorbote des Horror-Szenarios war hierbei die Deklarierung der gestrigen Partie zum Hochrisikospiel. Das Ganze war für uns sehr irritierend, da zu den wenigen Fans des SV Sandhausen überhaupt keine besondere Beziehung besteht. Im Gegenteil: Sandhausen und Umgebung ist Miteinzugsgebiet zahlreicher KSC-Fans und es ist allgemein bekannt, dass diese in der Region deutlich in der Überzahl sind. Darüber hinaus gab es mit der aktiven Karlsruher Fanszene in Sandhausen nie Probleme, Ausschreitungen oder Ähnliches. Selbst Pyrotechnik, was gerne fälschlicherweise synonymisch als „Randale“ bezeichnet wird, wurde noch nie in Sandhausen gezündet. Die Situation wurde von den Verantwortlichen dementsprechend völlig falsch im Vorfeld eingeschätzt. Wo genau der Mehrwert unserer sogenannten szenekundigen Beamten bleibt, ist hierbei fraglich.

Die Deklarierung als Hochrisikospiel zog naturgemäß einige Verbote seitens des Vereins SV Sandhausen mit sich: So wären für uns eine Choreo, Schwenkfahnen, Doppelhalter, Zaunfahnen, Trommeln und Megafone verboten gewesen. Als einziger Grund wurde hierfür angegeben, dass in einem vergangenen Spiel von Gästefans angeblich ein Bierbecher auf das Spielfeld geworfen wurde. Wie aber etwa ein Verbot von Zaunfahnen oder Trommeln das Werfen von Bierbechern einschränken soll, ist uns rätselhaft. Dass die Verbote völlig überzogen waren, scheint zumindest dem DFB aufgefallen zu sein. Auf dessen Druck hin wurden für das Spiel schlussendlich zumindest Trommeln und Megafone erlaubt.

Mit ungutem Gefühl fuhren wir folglich gestern nach Sandhausen und trafen uns wie jedes Jahr an einer nahegelegenen Gaststätte, um der katastrophalen Parksituation am Stadion aus dem Weg zu gehen und legten den restlichen Weg zu Fuß zurück. Dabei wurden wir auch in den vergangenen Jahren von der Polizei begleitet. Was sich aber gestern kurz nach Abmarsch ereignete, ist erneut völlig irritierend. An einem nahegelegenen Friedhof wartete eine komplette BFE-Einheit in voller Montur sowie mit Vermummung auf uns und kesselte uns ein. Ohne Angabe von Gründen mussten wir mehrere Minuten warten und wurden dann zunächst sehr straff und abgeschirmt ans Stadion begleitet. Das Auftreten der Beamten war äußerst aggressiv und vor allem nervös. Die 2 Liter Pfefferspray-Dose hatten die meisten bereits im Anschlag. Es scheint fast so, als ob den Beamten eingeschärft wurde, hier übertrieben hart aufzutreten um ein mögliches Fehlverhalten unsererseits zu provozieren. Zu diesem kam es logischerweise nicht und nach der Hälfte der Strecke waren die Polizeiketten um uns auch nicht mehr allzu eng, da die Beamten realisierten, dass von uns überhaupt keine Gefahr ausging.

Gegen 13:10 Uhr erreichten wir schließlich das Stadion. Das Bild, dass sich uns hier bot, ließ uns nicht zuversichtlich werden, dass wir das Spiel überhaupt noch sehen sollten. Denn die Polizei hatte mehrere „Zelte“ aufgebaut. Was in der Berichterstattung auf sport1 lapidar als „intensivere Kontrollen“ abgetan wurde, trifft den Hintergrund dieser Zelte nicht ansatzweise: Denn hier drin werden sogenannte Nacktkontrollen von den Beamten durchgeführt um sicherzugehen, dass Fans keine verbotenen Gegenstände ins Stadion schmuggeln. Dabei muss man sich vor mehreren Beamten komplett nackt ausziehen, gewisse Dehnübungen machen und sich gegebenenfalls noch in den Allerwertesten schauen lassen. Dieses Prozedere kommt für gewöhnlich vor der Einweisung in ein Gefängnis, bei Terrorverdächtigen oder Drogenschmugglern zum Einsatz. Dass normale Fußballfans sich dessen vor Eintritt in ein Stadion unterziehen müssen, ist völlig grotesk und für uns in keinster Weise tragbar.

In der BRD gilt eigentlich die Unschuldsvermutung, aber diese wird mit solch einer Untersuchung scheinbar außer Kraft gesetzt. Es ist umso erschreckender, dass sich andere KSC-Fans dieser Nacktkontrolle hingaben, denn diese wurden offensichtlich nicht nur bei uns, sondern auch bei anderen Fans durchgeführt. Wir ließen uns – wie bei jedem anderen Spiel auch – von den Ordnern des gastgebenden Vereins zunächst einer Kontrolle unterziehen, die das Abtasten sowie das Durchsuchen der Taschen und der mitgeführten Gegenstände umfasst. Hier war mit den Ordnern bereits geklärt, dass sie uns naturgemäß außerhalb der Zelte vor Einlass ins Stadion kontrollieren können, wir aber die scheinbar bevorstehenden Nacktkontrollen entschieden ablehnen würden. Die scheinbar geklärte Lage wurde jedoch plötzlich brisant, als die vermummten Polizisten sich uns nach der regulären Kontrolle in den Weg stellten und forderten, dass wir uns nun alle den Nacktkontrollen unterziehen müssen. Wir entschieden uns daher geschlossen, an dieser menschenunwürdigen Untersuchung nicht teilzunehmen und traten den Heimweg an. Von den bereits erwähnten Punkten abgesehen, wäre so ein Vorgehen mit allen ca. noch 500 wartenden KSC-Fans vor dem Stadion auch zeitlich unmöglich gewesen.

Die Krönung des Tages war schließlich der Weg zurück an unsere Autos. Diesmal war es die Polizei, die offensichtlich irritiert war, dass wir keine Auseinandersetzungen suchten, und auf dem Marsch zurück völlig nervös und im System eines herumschwirrenden Hühnerhaufens versuchte, sämtliche Straßen abzuriegeln.

Einen verheerenden Abschluss fand diese ganze Farce schließlich in der Berichterstattung auf sport1: Die Nacktkontrollen wurden als „intensivere Kontrollen“ abgetan und Reporter und Polizeieinsatzleiter suggerierten mit ihren Aussagen, dass aufgrund der Tatsache, dass wir diese Nacktkontrollen nicht über uns ergehen lassen wollten, wir auch etwas zu verbergen hätten. Diese Logik ist fatal: Sie setzt die Unschuldsvermutung außer Kraft und beinhaltet de facto, dass nur ein Fan, der sich vor der Polizei vor einem Spiel nackt auszieht auch ein friedlicher Fan ist und überhaupt das Spiel sehen darf, was irgendwo fast an Nötigung grenzt. Die Berichterstattung ist somit sehr erschreckend, da nicht einmal in Erwägung gezogen wird, dass wir uns diesen Maßnahmen schlicht nicht hingeben wollten, da sie vollkommen menschenunwürdig sind – und das sind sie, da gibt es keine Argumente dagegen!

Was von dem gestrigen Tag zurück bleibt ist vor allem Irritation und viele offene Fragen:

Mit welcher Begründung wurden sämtliche Materialien verboten?
Warum muss erst der DFB intervenieren, damit wenigstens Megafone und Trommeln erlaubt sind?
Warum werden selbst kleinen Kindern die Fähnchen abgenommen?
Welchen Sinn hat ein Zaunfahnenverbot?
Warum werden Nacktkontrollen ausgerechnet bei einem Spiel durchgeführt, bei dem es noch nie zu Zwischenfällen mit der aktiven Fanszene kam?
Aufgrund welcher Bedrohungslage und aufgrund welcher Informationen erfolgten diese Maßnahmen?
Welchen Mehrwert hat in diesem Zusammenhang überhaupt die Arbeit unserer SKBs?

Würde in irgendeiner Form diese ganze Vorgehensweise mit uns kommuniziert und erläutert werden, könnten wir sie vielleicht in Ansätzen nachvollziehen. Doch das blieb uns bis jetzt verwehrt. Die Ereignisse in Stuttgart können hierfür unmöglich als Erklärung herangezogen werden, denn die beiden Spiele bzw. die Beziehung der beiden Fanszenen stehen in keiner Relation zueinander. Wäre dem allerdings tatsächlich so, ist die Konsequenz daraus katastrophal, denn somit könnte diese Begründung zukünftig für ähnliche Maßnahmen bei jedem Spiel benutzt werden.

Dagegen mussten wir gestern ein Zeichen setzen und entschlossen uns schweren Herzens, das Spiel unseres KSC nicht zu besuchen. Nacktkontrollen werden wir niemals über uns ergehen lassen!

ULTRA1894 / ProFans KSC